Wasserstoff ist die Zauberformel der Energiewende. Verbund-Vorständin Susanna Zapreva hofft, dass die nächste Regierung schnell reagiert.
Seit Jänner 2024 sitzt im Verbund-Vorstand wieder eine Frau: Susanna Zapreva ist zuständig für erneuerbare Energieerzeugung aus Wind- und Sonnenkraft, Wasserstoff sowie Handel und Vertrieb. Österreichs größter Stromkonzern habe hier einiges vor, sagte sie dieser Tage am Rande eines Wasserstoffgipfels in Linz.
Verbund hat große Pläne mit Wasserstoff. Wie sehen die aus? Susanna Zapreva: Wir haben zwei Schwerpunkte: lokale Projekte und Importe. Wir schauen, wie wir in Regionen, in denen die Produktionskosten niedriger sind, perspektivisch grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen für unsere Kunden und Kundinnen produzieren können. Besonders der Südkorridor und der nordafrikanische Raum sind für Österreich und die Versorgung Europas von strategischer Bedeutung. Damit würde Österreich zum Transitland für Wasserstoff, was natürlich einige Vorteile bringt, weil wir als Land nicht die ganzen Kosten selbst tragen müssten. Wie weit sind Sie konkret? Wir haben in Tunesien ein Projekt mit Total Energies. Dort lässt sich mit Wind und Photovoltaik Wasserstoff günstig produzieren, wenn wir es schaffen, die politischen Risiken, die wir im nordafrikanischen Raum sehen, in den Griff zu bekommen. Wir sind noch in der Evaluierungsphase. Eine Entscheidung wird es erst geben, wenn der Südkorridor und die Netze stehen. Es gibt Treffen auf politischer Ebene zwischen Österreich, Deutschland und Italien, denn es muss regulatorisch geklärt werden. Ohne Netz werden wir sicher keinen Wasserstoff importieren können.Aber die Netzbetreiber bauen nicht, solange unklar ist, wer Wasserstoff durchleitet … Nicht ganz. Deutschland hat das Netz schon beschlossen, es ist in Planung. Ich hatte dort letzte Woche Gespräche, es gibt auch von der KfW bereits Finanzierungen für die Anfangsverluste, die da entstehen. Dort läuft die Maschinerie schon. Das Bild ist klar: Ohne Netz wird kein Investor das Risiko eingehen und Projekte starten. Deutschland hat den ersten Schritt gemacht, wenn Österreich und Italien folgen, dann können wir die Südroute gut umsetzen.Österreich hat bereits ein Wasserstofffördergesetz beschlossen. Reicht das nicht? In Österreich ist weder die Regulatorik klar noch die Finanzierung. Das ist in Arbeit, wird aber wohl erst von der nächsten Regierung beschlossen. Man muss auch die Nachfrage ankurbeln. Wenn die Kosten zu hoch sind, wird es zu keiner Umsetzung kommen. Daher gibt es den Transformationsfonds für die Industrie, damit sie dieses „Green Premium“ tragen kann. Man muss bei jedem Produkt schauen, ob die Kunden bereit sind, die Mehrkosten zu zahlen, oder diese gestützt werden müssen. Ein Auto kostet mit Green Steel um 200 bis 500 Euro mehr, das ist nicht so viel. Bei Düngemitteln, die sich im globalen Wettbewerb befinden, sind wahrscheinlich auch ein paar Cent viel. Ohne Anreize diese grünen Produkte zu nutzen ist schwer.
Wie groß soll das Geschäftsfeld bei Verbund werden? Alles hängt davon ab, wie sich der Markt entwickelt. Wir gehen aktuell in Österreich und Deutschland davon aus, den Bedarf von 180.000 Tonnen pro Jahr bis 2033 decken zu können. Wir wollen einen signifikanten Marktanteil von 30 bis 40 Prozent erreichen. Wir sind sehr stark im Industriebereich und wollen dazu beitragen, dass die Industrie in Österreich bleibt. Eines der Projekte, die die schnellste Realisierungschance haben, betrifft LAT Nitrogen (die frühere Borealis-Düngemittelsparte, Anm.). Dort planen wir eine 60-Megawatt-Anlage, mit der wir rund 10.000 Tonnen Wasserstoff produzieren können. Das sind aber nur zehn Prozent von dem, was dort benötigt wird. Man muss ehrlich sagen, dass die Wasserstoffwirtschaft erst am Beginn ist. Wir bauen eine ganz neue Wirtschaft auf in Europa, aber vieles ist noch in den Kinderschuhen. Bisher hatten wir einen Elektrolyseur mit sechs Megawatt bei der voestalpine, jetzt skalieren wir auf 60 MW und irgendwann werden es 100 und 150 MW sein. Den Weg muss man schrittweise gehen. Wir müssen lernen, die Technik gut zu beherrschen. Es gibt aber eine gewisse Unsicherheit, weil die wirtschaftliche Situation nicht optimal ist.
An wie vielen Projekten ist Verbund aktuell dran? Wir haben drei große Projekte in Österreich, neben Linz im Burgenland und in der Steiermark, wo wir eine Pilotanlage für Hochtemperaturelektrolyse und Brennstoffzellenbetrieb im Gaskraftwerk Mellach testen. Aber wir sind ständig in Gesprächen. Natürlich entwickeln wir auch in Deutschland das Geschäft, denn viele unserer Kunden sind im Ausland.
Das größte H2-Projekt ist der PanHy im Burgenland. Wie weit sind Sie dort? Dort wollen wir mit Wind- und Sonnenstrom gemeinsam mit der Burgenland Energie Wasserstoff für den Ballungsraum Wien erzeugen. Geplant ist auch dort, mit 60 MW zu starten, theoretisch wären bis 300 MW möglich. Mir sind die Projekte am sympathischsten, wo wir lokale Projekte mit Kunden entwickeln. Wie bei LAT Nitrogen? Im Moment warten wir, dass die Transformationsförderung für die Industrie kommt. Die EU hat sie gebilligt, die Regierung kann jeden Tag mit der Ausschreibung rausgehen. LAT Nitrogen wird sich bewerben und dann kann die Bauentscheidung schnell kommen. Das Projekt ist sehr weit fortgeschritten, aber die Wirtschaftlichkeit hängt an der Förderung. Alles ist so ausgerichtet, dass die Anlage spätestens 2027 in Betrieb ist, sonst gilt es nicht als grüner Wasserstoff. Bis dahin können solche Projekte Strom einfach aus dem Netz beziehen. Dann müssen sie direkt an Erneuerbaren hängen oder ein Land zu 90 Prozent erneuerbaren Strom haben.
Wann könnte Verbund erstmals grünen Wasserstoff importieren? Wenn die Netze stehen. Die Pläne für den Südkorridor sehen 2030 vor. Derzeit sieht das realistisch aus. Deutschland hat die Entscheidungen schon getroffen. Österreich und Italien müssen das noch tun. Und dann braucht es noch das Stückchen zwischen Tunesien bzw. Algerien nach Sizilien. Ich gehe davon aus, dass Österreich das zweite Land ist, das das geregelt hat. Ich habe große Hoffnung, dass das unter den ersten Themen ist, bei denen die neue Regierung vorangeht. Es steht und fällt alles mit dem Netz. Und was, wenn es nicht klappt? In Deutschland ist gerade die Koalition zerbrochen, es gibt Neuwahlen … Meine Einschätzung ist: Egal wie die Wahlen ausgehen, es wird in Deutschland keine radikale Abkehr von diesem Weg geben. Es könnte vielleicht etwas langsamer gehen. Die Stimmung unter den Menschen geht stark in Richtung Unabhängigkeit von fossilen Energiequellen, nicht aus ideologischer Sicht, sondern wegen der Resilienz der Wirtschaft. Wir werden auch auf EU-Ebene eine Verlagerung in Richtung Stärkung der Industrie und Wirtschaft sehen, mit Fokus auf Bezahlbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit.
von Monika Graf
Salzburger Nachrichten