Da ein Energiemasterplan der Wirtschaftskammer als Handlungsanleitung für die künftige Regierung, dort eine neue Energieagenda der in deutschen Wahlumfragen führenden CDU/CSU: Es gibt viel Gemeinsames – und Trennendes.
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) war mit ihrem Energiemasterplan etwas früher dran als CDU und CSU mit der neuen Energieagenda für Deutschland. Das christlich-konservative Parteienbündnis rechnet sich gute Chancen aus, nach der Wahl am 23. Februar mit Friedrich Merz den nächsten Bundeskanzler zu stellen.
Die WKO, die knapp 700.000 Unternehmen vertritt, mischt indes schon kräftig mit beim Versuch, in Österreich eine stabile Regierung unter ÖVP-Führung zustande zu bringen. Abgesehen von großen Herausforderungen beim Budget treibt beide, WKO wie CDU/CSU, die Frage um, wie es weitergehen soll mit der Energiewende. Beide sagen Ja dazu, aber es soll anders gehen als bisher.
Weil beide in den kommenden Jahren den Politikverlauf maßgeblich mitbestimmen werden, lohnt ein Vergleich. Was ist zu erwarten von der sich abzeichnenden konservativen Wende in der Energie- und Klimapolitik, die zuletzt stark von den Grünen geprägt worden ist?
Lukas Stühlinger, geschäftsführender Gesellschafter von Fingreen, einem Beratungsunternehmen zur Finanzierung von Energie- und Umweltprojekten, hat die energiepolitischen Vorstellungen von WKO und CDU/CSU unter die Lupe genommen. In den großen Linien seien etliche Gemeinsamkeiten feststellbar, sagte er dem STANDARD.
QTechnologieoffenheit wird in beiden Konzepten eingemahnt. Die Verwendung von E-Fuels oder Wasserstoff bei Pkws soll in gleicher Weise gefördert werden wie E-Mobilität. Wissenschafter bezeichnen das mehrheitlich als Irrweg. WKO und CDU/CSU hingegen sagen, der Staat soll bloß keine Wertung vornehmen.
QKosteneffizienz Da wie dort will man den Fokus verstärkt auf die Kosten der Transformation weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien legen. Ohne mehr Effizienz sei die Energiewende zum Scheitern verurteilt. Im CDU/CSU-Programm ist mehrfach von „Priorisierung“ bei den Investitionen und Fokussierung auf „low hanging fruits“ die Rede. „Das widerspricht der Forderung nach Technologieoffenheit“, sagt Stühlinger. „Wenn die Transformation kostengünstig gelingen soll, muss man Irrwege vermeiden.“
QGesellschaftliche Akzeptanz sollte gesteigert werden, indem Bürger mittels Befragung zu Wind- oder Solarprojekten eingebunden werden und davon profitieren. Heißt übersetzt, dass Volksentscheide wichtiger werden. Klar ist laut Stühlinger aber auch, dass dies den weiteren Ausbau der Erneuerbaren auf Jahrzehnte deutlich verzögern kann.
In beiden Programmen finden sich auch unterschiedliche Zugänge.
QNetzausbau Allein in Österreich werden die nötigen Investitionen für ein robustes Stromnetz auf gut 50 Milliarden Euro geschätzt. Die WKO meint, das müsse günstiger gehen. Und die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nach oben geschnellten Preise für Strom und Gas (siehe Grafik) müssten sinken, damit man vis-à-vis USA und China wettbewerbsfähiger werde.
Das sieht auch die CDU/CSU in ihrem Papier so, verlangt eine Priorisierung von Maßnahmen, Freileitungen statt teurer Erdkabel und dass Netzentgelte politisch festgelegt werden, nicht wie bisher durch die Bundesnetzagentur. Das sei insofern „bemerkenswert, als eine Repolitisierung der Netzentgelte die regulatorischen Risiken für die Netzbetreiber und somit die Finanzierungskosten erhöht“, sagt Stühlinger.
Die WKO ist für eine Kappung der Spitzenlasten von Photovoltaik, um die Netzausbaukosten zu senken. Zur Finanzierung schlägt die WKO einen Netzinfrastrukturfonds vor.
QErzeugungstechnologien Die WKO möchte die Rolle von Gas als Übergangstechnologie festgeschrieben wissen, unter anderem soll ein „investitionsfreundliches Klima zur Hebung der heimischen Erdgaspotenziale“ geschaffen werden.
Die CDU/CSU wiederum will sich dafür einsetzen, dass der Rückbau der Kernkraftwerke nochmals überprüft und die Forschung an modularen Kleinreaktoren gefördert wird.
Beides ist praktisch von geringer energiewirtschaftlicher Relevanz. Die Fördermöglichkeiten von Gas in Österreich sind überschaubar, die Wege zurück zur Atomkraft und zur Kernfusion, wie von der CDU/CSU gefordert, wären jedenfalls sehr weit.
QStromkosten senken Die WKO fordert die dauerhafte Senkung der Energiesteuern wie zum Beispiel der Elektrizitätsabgabe, die zur Dämpfung des Strompreishöhenflugs 2022 befristet bis Ende 2024 eingeführt wurde. Zudem soll auf EU-Ebene ein Notfallmechanismus etabliert werden, mit dem im Fall der Fälle Strom- und Gasmärkte entkoppelt werden könnten.
QFunfacts Während in Österreich darüber diskutiert wird, den Klimabonus abzuschaffen, will die CDU/CSU einen solchen in Deutschland einführen. Bei Biogas verlangt sie eine Förderung über eine Grüngasquote; in Österreich hingegen wird von ÖVP-Kreisen immer stärker ein Marktprämiensystem gefordert.
Aus dem Wahlprogramm der CDU, das vor der geplanten Präsentation am Dienstag geleakt wurde, geht zudem hervor, dass man gewisse Kraftwerke dem Markt entziehen und die Bereitstellung von Kapazität extra fördern möchte.
Der Standard