Warum Trump eine Chance für Europas Energiepolitik ist

24. Feber 2025

Man muss kein Öko-Freak sein, um den Preisvorteil der Erneuerbaren zu erkennen.

Drill baby drill“: Donald Trump hat seinen Wahlkampfslogan auch in seiner Antrittsrede als Präsident prominent platziert. Die Botschaft ist klar: Die Produktion von Öl und Gas soll in den USA massiv ausgebaut werden. Einschränkungen wie die Förderung in ökologisch sensiblen Gebieten in der Arktis sollen fallen. Billige, fossile Energie soll der Motor des neuen Wirtschaftswunders werden. Erneuerbare Energien geraten in den Hintergrund.
Damit geht für die europäische Energiepolitik eine echte Chance auf. In Ermangelung großer Öl- oder Gasvorkommen musste Europa seit jeher den Erneuerbaren mehr Augenmerk widmen. In Österreich sind wir vom Hundert-Prozent-Ziel in der Stromerzeugung nicht mehr weit weg. Jetzt geht es breitflächig darum, Öl, Gas und Kohle durch Erneuerbare zu ersetzen. Warum ist das wichtig? Vielleicht überrascht die Begründung: Weil es schlicht billiger ist.
Die internationale Agentur für erneuerbare Energien (Irena) errechnet im Schnitt Energiegestehungskosten von 3,3 Cent/kWh bei Wind und 4,4 Cent bei großen Solaranlagen. Wer da misstrauisch ist, glaubt vielleicht eher dem Fraunhofer-Institut, das 2024 für Deutschland Gestehungskosten von fünf bis zehn Cent/kWh bei den Erneuerbaren und 15 bis 30 Cent bei den Fossilen berechnet. Gleichzeitig steckt in den Erneuerbaren sehr hohes Innovationspotenzial. Hinzu kommen Optimierungsmöglichkeiten, die uns die Digitalisierung auf Ebene des Gesamtenergiesystems bietet. Man muss kein Öko-Freak sein, um den zukünftigen deutlichen Preisvorteil zu erkennen. Man muss nur rechnen können und keine ideologische Realitätsverweigerung betreiben. Der Green Deal der EU kann tatsächlich zum Wirtschaftsmotor werden. Grüne Transformation und eine gleichzeitige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sind möglich.


Die gewaltigen US-Reserven an fossilen Energieträgern, das „Big Business“ der Ölindustrie, werden zum Klotz am Bein. Milliarden Dollar, die heute aus Ölquellen und Fracking sprudeln, machen es schwer, sich rechtzeitig umzuorientieren. Europa hat mit seiner stärkeren Orientierung an Erneuerbaren mittel- und langfristig die Chance, nicht nur saubere, sondern auch billigere Energie zur Verfügung zu haben – autonom und ohne Ablaufdatum. Diese Chance müssen wir nutzen. Es braucht vor allem drei Dinge, die Politik ist entscheidend gefordert: Erstens muss der Ausbau der Energiesysteme viel schneller vorangehen. Wir brauchen zügige Genehmigungen, kluge Finanzierung und vor allem den Willen, unsere Chance zu nutzen. Zweitens:Erneuerbare sind systemischer als fossile Energieträger. Um den Vorteil der günstigen Erzeugung tatsächlich zu nutzen, braucht es das intelligente Zusammenspiel aus unterschiedlichen Quellen, Speicherkapazitäten, digitaler Infrastruktur zur Verbrauchsoptimierung und eine kluge Kombination zentraler und dezentraler Strukturen. Die Erneuerbaren sind wie ein Sinfonieorchester, das gut geplant und getaktet zusammenspielen muss, dann aber Großartiges leistet. Dazu braucht es eine gute Partitur, einen Plan – in Österreich und Europa. Drittens: Wir müssen in Technologie und Innovation investieren. Sie können uns einen Vorsprung verschaffen. Forschung und die mutige, rasche Erprobung sind jetzt noch wichtiger.


Verweigerung von Fortschritt
Die zügige, durchdachte Transformation unseres Energiesystems hin zu den Erneuerbaren kann die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und Europas entscheidend verbessern. Sauberer, billiger und unabhängiger – so wird der Green Deal zu einem „business case“. Und von „Drill baby drill“ bleibt der untaugliche Versuch, mit einem Mehr an alten Lösungen das Morgen zu gestalten. Es ist die Verweigerung von Fortschritt. Das ist noch selten gut ausgegangen.
Der ehemalige Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber, Promitto-Geschäftsführer Kurt Guwak und Infineon-Chefin Sabine Herlitschka sind Mitglieder des Netzwerks Mehr Grips (https://smex-ctp.trendmicro.com:443/wis/clicktime/v1/query?url=www.mehrgrips.at&umid=5eb2d5bd-4efe-4a8a-8c86-641c42f24589&auth=05bfbb641e6780fbf1f29b208c7a9db848835147-e092c94d999fed20deb93415ab90916278308dca).
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Von Wolfgang Anzengruber, Kurt Guwak und Sabine Herlitschka