Warum es so schwer ist, Energie billig zu machen

5. März 2025, Wien

Die Regierung will Strom leistbarer machen, ebenso wie die EU-Kommission. Doch die Pläne sind widersprüchlich.

Die neue Koalitionsregierung widmet dem Thema Energie und Netze ein eigenes Kapitel in ihrem Arbeitsprogramm: „Leistbare Energiepreise“ werden da angekündigt, ebenso wie „zukunftsfitte und leistbare Energienetze“. Und eine „Expertengruppe“ zur Senkung der vergleichsweise hohen Energiepreise, weil diese als eine der Ursachen für die Schwäche der heimischen Industrie gelten. Auch die EU-Kommission hat vorige Woche als „Schlüsselkomponente“ ihres Maßnahmenpakets zur Stärkung von Europas Wettbewerbsfähigkeit einen „Aktionsplan für erschwingliche Energie“ vorgelegt. Sie verspricht darin für heuer 45 Mrd. Euro an Einsparungen, die bis 2030 auf 130 Mrd. pro Jahr steigen sollen.

Die Ansatzpunkte sind in beiden Fällen ähnlich: der raschere und effizientere Ökostromausbau, mehr und smartere Stromleitungen, besonders über die Ländergrenzen, bessere Anreize für Investoren (bei der Finanzierung des Netzausbaus) und Förderungen für Haushalte sowie Betriebe (beim Umstieg auf „saubere“ Energie und Energiesparen) sowie eine Ankurbelung des geringen Wettbewerbs durch einen einfacheren Anbieterwechsel.

Strom, der die zentrale Rolle in der Energiewende spielt, ist zwar im Vergleich zur Energiekrise 2022 nach Russlands Angriff auf die Ukraine wieder günstiger geworden. Die Großhandelspreise sind allerdings mit aktuell rund 100 Euro pro Megawattstunde fast drei Mal so hoch wie vor zehn Jahren. Im EU-Durchschnitt kostet Strom doppelt so viel wie in den USA und China.

Warum das so ist? Die E-Wirtschaft erklärt das mit dem unkoordinierten Umbau des Energiesystems auf klimafreundliche Photovoltaik und Windkraft und drängt seit Jahren auf schnelle Genehmigungsverfahren und Netzausbau. Allein mit ausreichenden Leitungen nach Deutschland hätten sich die Österreicher laut dem Übertragungsnetzbetreiber APG vergangenes Jahr 160 Mill. Euro erspart.

Die EU-Kommission macht auch die anhaltende Abhängigkeit der EU von Erdgas und die Koppelung zwischen Strom- und Gaspreisen (Merit Order) für den teuren Strom verantwortlich. Die neue Dreierkoalition sieht hier ebenfalls ein Problem und will sich auf EU-Ebene für eine „Überarbeitung“ dieses Mechanismus einsetzen. Bisher ist aber kein anderes Modell in Sicht. Ebenso wenig wie der – laut Arbeitsprogramm ebenfalls geplante – Ersatz von Erdgas durch Biogas, Wasserstoff oder Geothermie.

Walter Boltz, ehemaliger E-Control-Vorstand und heute Berater zu Energiefragen bei Baker McKenzie, bezweifelt, dass die angekündigten Maßnahmen die nötigen kurzfristigen Effekte bringen. „Eine Steuersenkung wäre das Einzige, das wirklich schnell hilft, die Stromrechnungen zu senken“, ist er überzeugt, „alles andere sind Placebos.“

Hierzulande waren die Strompreise bis Jahresende gefördert und die Elektrizitätsabgabe bzw. Erneuerbaren-Förderpauschale und -beitrag auf fast null gesenkt. Jetzt machen die Abgaben zusammen mit der Mehrwertsteuer wieder rund 30 Prozent der Stromrechnung aus. Angesichts der dringend nötigen Budgetsanierung gilt es als unwahrscheinlich, dass bei Energie eine große Senkung kommt, auch wenn die EU-Kommission die EU-Staaten dazu auffordert. Europaweit gehe es um zig Milliarden, sagt Boltz.

Den beschleunigten Ausbau von Wind-, Sonnen- und Wasserkraft bzw. Wasserstoff oder Biogas hält er für den richtigen Ansatz, dieser brauche aber Zeit. „Auch wenn morgen alle Projekte genehmigt werden, dauert es drei bis vier Jahre, bis sie umgesetzt sind“, rechnet Boltz vor, bei den Netzen noch länger. Zudem ist für den Umbau des Energiesystems ein gewaltiger Investitionsschub nötig: Laut dem Branchenverband Oesterreichs Energie geht es bis 2030 um 60 Mrd. Euro für Erzeugungskapazitäten, Verteiler- und Übertragungsnetze, die Betriebe und Haushalte schultern müssen.

„Günstige Preise für Sonnen- oder Windkraft wird es nicht so einfach geben“, warnt Johannes Mayer, Experte in der Regulierungsbehörde E-Control. Sollten Gaskraftwerke, die jetzt laufen und für Preisspitzen sorgen, wenn Sonne, Wind und Wasser nicht ausreichend Strom liefern, aus dem System genommen werden, müssten alle Preise staatlich geregelt werden. „Ein bisserl Markt kann man nicht machen“, sagt Mayer. Ohne Aussicht, mit Ökostromanlagen auch zu verdienen, würde nicht investiert.

Für Mehrkosten sorgen hierzulande seit Jahresbeginn auch die Netztarife, die bei Haushalten ein weiteres knappes Drittel der Stromrechnung ausmachen. Und sie dürften noch viel stärker steigen, weil in der klimafreundlichen Energiewelt mit dem Stromverbrauch auch der Bedarf an Leitungen sowie Speichern steigt, um die Lücken und Überschüsse bei Ökostrom zu schließen. In Österreich allein sind nach Prognosen der Stromwirtschaft 44 Mrd. Euro an Zusatz- und Ersatzinvestitionen in die oft überalterten Netze nötig.

Um die Investitionskosten zu senken, denkt die Bundesregierung ebenso wie die EU an günstigere Finanzierungsmöglichkeiten – etwa mit Kreditgarantien der öffentlichen Hand – und eine längere Abschreibungsdauer. In Fachkreisen wird das positiv beurteilt, die Wirkung wäre aber ebenfalls überschaubar und langfristig. Die Regierung will zudem die ohnehin geregelten Netzkosten anders verteilen. Wie bei schnellem Internet sollen sie stärker an die Leistung gekoppelt und Haushalte bzw. Betriebe belohnt werden, wenn sie ihren Verbrauch „netzdienlich“ gestalten.
Eine wichtige Rolle beim Senken der Kosten spielt nicht zuletzt das Energiesparen. Auch hier ist nicht klar, wie die Effizienz gesteigert werden soll. Das habe besonders gut funktioniert, als die Preise 2022 sehr hoch waren, merkt ein Vertreter der E-Wirtschaft an. Im Regierungsprogramm wird unter anderem versprochen, dass alle EU-Finanzierungsmittel für solche Maßnahmen ausgeschöpft werden.

Die Stromwirtschaft selbst stellt auf lange Sicht niedrigere Strompreise in Aussicht. Die geplante Sondersteuer für Energieunternehmen von jährlich 200 Mill. Euro sei aber wenig hilfreich für günstigere Preise. „Dieses Geld wird bei den Investitionen fehlen“, sagt dazu die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, Barbara Schmidt.

von Monika Graf

Salzburger Nachrichten