
Immer mehr Erzeuger und Betriebe setzen auf langfristige Verträge für Grünstrom außerhalb der Börsen, um sich von den volatilen Preisen abzukoppeln. Das soll auch die Energiewende antreiben. Doch der Markt kommt gerade erst in Schwung.
Sie finden sich im oftmals zitierten Draghi-Bericht, der wegweisenden Industriestrategie Brüssels, und auch im Regierungsprogramm von Schwarz-Rot-Pink: Leistbare Energie steht im Rampenlicht – und mit ihr die sogenannten Power-Purchase-Agreements, kurz PPAs. Was bei Erdgas und Erdöl gang und gäbe ist, hat sich bei den Erneuerbaren noch nicht durchgesetzt. Es geht um langfristige Stromlieferverträge von oft zehn Jahren und mehr, die Kraftwerksbetreiber etwa mit der energieintensiven Industrie abschließen.
Die einen bekommen stabile Preise, die relativ unabhängig von den Schwankungen der Strombörsen sind; und teils sogar von den Netztarifen, weil der Strom mitunter direkt per Privatleitung vom Kraftwerk zur Fabrik geliefert wird. Die anderen haben fixe Abnehmer, wodurch sich Kapitalgeber leichter an Land ziehen lassen. Das begünstigt auch den Erneuerbaren-Ausbau, weil die Projektbetreiber mit hohen Investitionskosten konfrontiert sind.
Verträge über 11,5 Gigawatt
Lange Zeit war der Markt dafür in Europa überschaubar, doch das ändert sich gerade. Die Europäische Investitionsbank (EIB) rechnet damit, dass bis 2030 zehn Prozent der Kapazität von Photovoltaik (PV) und 23 Prozent der Windenergiemengen über den PPA-Markt abgedeckt werden könnten. Aktuell werden PPAs vor allem vom Informations- und Kommunikationssektor (Datencenter) sowie der Schwerindustrie genutzt, im Vorjahr wurden Verträge mit einem Volumen von 11,5 Gigawatt (GW) abgeschlossen. Das entspricht etwa 14 Prozent der installierten Leistung an Wind- und Solarenergie in der EU. Vor fünf Jahren waren es noch drei GW, zeigen Zahlen von Re-Source Europe, einer transnationalen Interessenvertretung, die Erzeuger und Abnehmer von grünem Strom zusammenbringt. Der Anteil an der installierten Leistung insgesamt lag bei etwa neun Prozent. Das Wachstum kann sich sehen lassen.
Großen Anteil daran hat Spanien. Etwas mehr als drei der 11,5 GW stammen aus dem sonnenreichen Land, das auf PV-Felder setzt wie kaum ein anderer EU-Staat. Die Vorteile sind evident. Wie eine Analyse von EY Spain zeigt, sind die PPA-Preise weit weniger volatil als jene des Spotmarktes an der Börse, an dem sonst die meiste Energie gehandelt wird. Demnach lag die Schwankungsbreite von PPA-Preisen zwischen Jänner 2020 und Sommer 2024 bei 26 Euro pro Megawattstunde (MWh). Bei den Spotmarktpreisen waren es im selben Zeitraum 262 Euro pro MWh. Bis auf wenige Ausnahmen waren die PPA-Preise deutlich unter jenen des Spotmarktes.
Aufgrund der günstigen Witterung in Spanien sind die Preise besonders niedrig. Der durchschnittliche PPA-Preis für Solarenergie lag im Vorjahr bei 39,53 Euro je MWh. In Deutschland sind zumindest 91 Euro nötig, um als Betreiber kostendeckend zu wirtschaften, zeigt eine Analyse des Energieberaters AFS Commodities. Etwas günstiger ist Windenergie, deren Anteile in Deutschland erheblich größer sind als jene von Solarstrom. Zusehends bildet sich zudem ein Trend zur Lieferung aus einer Mischung von Wind- und Solarenergie. Zu Jahresbeginn lag der Anteil bei knapp einem Fünftel der PPA-Volumina.
Global betrachtet befindet sich Europa soeben auf Aufholjagd. Der PPA-Markt ist in den USA etwa doppelt so groß wie jener in Europa. Vor zwei Jahren wurden hierzulande aber erstmals mehr Kapazitäten über Langfristverträge abgedeckt. Mit dem Clean Industrial Deal der EU soll das Tempo weiter erhöht werden. Darin wird die Europäische Investitionsbank damit beauftragt, Garantien für den Abschluss von PPAs bereitzustellen. Für das erste Pilotprogramm, das im April gestartet wurde, wurden 500 Millionen Euro budgetiert. Die Maßnahme zielt verstärkt auf Klein- und Mittelbetriebe, deren Finanzkraft in Relation zur Großindustrie überschaubar und deren Kreditrisiken damit höher sind.
Keine Daten in Österreich
Wie groß der PPA-Markt in Österreich ist, dahinter steht ein großes Fragezeichen. Die Regulierungsbehörde E-Control erhebt keine öffentlichen Daten, weil die Verträge bilateral zwischen Kraftwerksbetreibern, Stromhändlern oder Verbrauchern abgeschlossen werden. Hört man sich um, wird Österreich einerseits als Vorreiter wahrgenommen, etwa in der Regulierung. Andererseits dringt kaum ein Großvertrag an die Öffentlichkeit, zudem wartet die Branche auf wichtige Energiegesetze, die etwa Bewilligungen für Direktleitungen erleichtern und den PPA-Markt ankurbeln sollen.
Eine prominente Ausnahme ist der im März 2024 unterzeichnete Vertrag zwischen Burgenland Energie und Borealis. Über eine Laufzeit von zehn Jahren werden jährlich 70 GWh Wind- und Solarstrom aus Nickelsdorf an die Kunststofffabrik in Schwechat geliefert, beginnend im Jahr 2026.
Vonseiten der Energie Allianz Österreich, der neben EVN und Wien Energie auch Burgenland Energie angehört, heißt es, dass man rund ein Dutzend Kunden habe, für die man PPAs abwickle. Vor allem im Großkundensegment seien die Langfristverträge auch im europäischen Vergleich „mittlerweile gut etabliert“. Leo Lehr, Volkswirt der E-Control, sieht das ähnlich. PPAs seien demnach durchaus ein wichtiger Teil der Beschaffungsportfolios von Industriekunden neben den Termin- und Spotmärkten. Nicht nur wegen des Preises, sagt Lehr, sondern auch, um grüner zu werden.
Der Standard