Konkurrenz aus China erobert den Markt

22. Mai 2025

Chinesische Großkonzerne bringen sich in Stellung. Für die angeschlagene europäische Branche ist die Lage fatal.
Für die beiden deutschen Unternehmen Thyssen-Krupp Nucera und Sunfire hätte es Milliardenaufträge geben können. Die Gespräche waren geführt, die Lieferverträge so gut wie unterschrieben. Jetzt sollen die Anlagen für die Herstellung von grünem Wasserstoff in Saudi-Arabien fast ausschließlich aus China kommen, berichten Brancheninsider. Zehn Milliarden Dollar will Saudi-Arabien in Projekte für grünen Wasserstoff investieren. „Ein paar kleinere Aufträge wird man den Europäern schon geben, aber der große Kuchen geht an andere“, zeigt sich ein Kenner der Branche überzeugt.


Der Markt für die Produktion von grünem Wasserstoff steht gerade erst am Anfang. Aber schon jetzt bringen sich Großkonzerne aus China in Stellung. Für die europäische Industrie ist der Zeitpunkt fatal: Der Hype um das grüne Molekül ist deutlich abgeflaut. Zahlreiche Projekte werden wegen steigender Kosten und fehlender Nachfrage gestoppt. Und nun ergattern die chinesischen Wettbewerber immer mehr der noch verbliebenen Aufträge.
„Größere Unsicherheiten“


Erst vor wenigen Tagen hat der norwegische Energiekonzern Statkraft angekündigt, das Neugeschäft mit Wasserstoffprojekten komplett einzustellen. „Nachdem wir 2024 die Ambitionen für die Entwicklung von grünem Wasserstoff schon gesenkt haben, erleben wir nun größere Unsicherheit im Markthochlauf und eine sich weiter verzögernde Profitabilitätserwartung“, begründet Statkraft-Chefin Birgitte Ringstad Vartdal den Schritt. Man werde in Zukunft Wachstumschancen in anderen Technologien priorisieren.


Angesichts der Wirtschaftslage ist das verlustreiche Geschäft mit dem teuren Gas für viele eine unnötige Last. Mit grünem Wasserstoff lässt sich noch kein Geld verdienen. Dafür sind die Projekte noch zu klein und Wasserstoff aus Erdgas im Vergleich zu der nachhaltigen Alternative deutlich günstiger.


Auch bei RWE macht man kein Geheimnis daraus, dass die Entwicklung neuer Projekte erst einmal eingedampft wird. Beim Essener Energieversorger Eon werden sogar ganze Wasserstoffabteilungen in Tochterunternehmen wegrationalisiert, berichten mehrere Brancheninsider. Auch auf Konzernebene gebe es für das Thema keinen eigenständigen Bereich mehr. Eon will sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Aber der Wasserstoffmarkt kommt deutlich langsamer voran als noch vor zwei Jahren gedacht.

Grüner Wasserstoff, der mithilfe von Elektrolyseuren über Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, ist ein wichtiger Baustein für die Energiewelt der Zukunft. Das nachhaltige Molekül soll vor allem da zum Einsatz kommen, wo eine Umstellung auf Strom nur schwer möglich ist. Den größten Bedarf gibt es in den Bereichen Stahl, Chemie und Transport. Für wichtige Investitionsvorhaben gibt es immer noch keine abschließenden Finanzierungsentscheidungen. Besonders hart trifft das die Hersteller der Anlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff. Viele von ihnen kommen aus Deutschland, etwa Thyssen-Krupp Nucera, Sunfire oder Siemens Energy.


Die größten Wasserstoffpläne hat bislang Saudi-Arabien vorgestellt. Außerdem baut der Wüstenstaat an der grünen Mega-City Neom. Auch hier soll das nachhaltige Gas zum Einsatz kommen. Die Elektrolyseure dafür liefert Nucera. Die Einnahmen aus dem Projekt haben dem Unternehmen im zweiten Quartal einen überraschenden Umsatzsprung beschert. Trotzdem ist der Aktienkurs in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 20 Prozent gefallen. Seit dem Börsengang 2023 sind es mehr als 60 Prozent.


Aktuell gibt es nur wenige neue Aufträge für grüne Wasserstoffanlagen. Die Produktionskosten sind immer noch deutlich höher als die Herstellung von sogenanntem grauem Wasserstoff aus Erdgas. Der Wettbewerb unter den Elektrolyseur-Herstellern ist entsprechend hart. Und die Konkurrenz aus China drängt mit aller Macht auf den Markt, der bislang von europäischen und US-Unternehmen dominiert wurde.


„Die Gefahr, dass China den Markt übernimmt, ist auf jeden Fall groß“, sagt ein Brancheninsider. Mehrere berichten von Angeboten, die bis zu 15 Prozent günstiger sind als die der Konkurrenz. Es gebe unwahrscheinlich viele „Player“ auf dem Markt in China. Und sie sind keine Unbekannten.


Unter ihnen sind Longi, Sungrow oder Shanghai Electric, alle drei sind im Bereich Energietechnologie in der Weltspitze. Longi ist einer der größten Hersteller für die Produktion von Solarmodulen. Sungrow fertigt Wechselrichter, also die zentrale Steuerungseinheit jeder Solaranlage, Shanghai Electric ist einer der größten Anbieter für Übertragungsnetze, Transformatoren und Schalteinrichtungen.


Die Klimaziele im Blick
Longi ist Marktführer für Elektrolyseure auf dem größten Markt für Wasserstoff überhaupt: China. Seine Klimaziele im Blick treibt Peking die Produktion von grünem Wasserstoff voran. Von den 250.000 Tonnen nachhaltigem Wasserstoff wird mehr als die Hälfte in China hergestellt. Mehr als 600 Projekte sind aktuell geplant und über 150 auch schon gebaut, meldete die nationale Energiebehörde (NEA).


Während europäische Unternehmen Probleme haben, überhaupt neue Aufträge an Land zu ziehen, hat Longi vor Kurzem erst eine strategische Partnerschaft mit dem saudi-arabischen Energiekonzern ACWA Power unterzeichnet. Brancheninsider sind sich sicher, dass auch die Elektrolyseure für das nächste geplante Megaprojekt in Saudi-Arabien von dem Unternehmen kommen werden. Für ein Wasserstoffprojekt von ACWA in Usbekistan liefert Longi bereits Elektrolyseure. Auch in Australien und Nigeria hat das Unternehmen Projekte gewonnen.


Noch berichten die meisten Projektleiter von technischen Problemen mit Elektrolyseuren, egal ob aus Europa, den USA oder China. Aber Longi, Sungrow und Co. könnten durch die schiere Masse an Aufträgen allein aus ihrem Heimatmarkt schneller die besseren Anlagen entwickeln, sind Branchenkenner überzeugt.


Die westlichen Hersteller seien dagegen zu langsam und zu teuer, sagt Jens Schmidt, Technikvorstand des Brüsseler Projektentwicklers Tree Energy Solutions (TES). Nach einem Trip zu den größten Produzenten Chinas Ende 2024 ist er überzeugt, dass die westlichen Elektrolyseur-Hersteller das Rennen schon fast verloren haben, bevor es richtig angefangen hat.

Handelsblatt