
Israel hat Irans Förderanlagen auf dem größten Gasfeld der Welt angegriffen. Warum es nun speziell für Europäer teurer werden könnte.
Israel hat nun auch iranische Energieinfrastruktur ins Visier genommen: Am Samstag explodierte und brannte nach einem israelischen Angriff eine Erdgasverarbeitungsanlage, die mit Irans South-Pars-Gasfeld verbunden ist. Bei South Pars handelt es sich um das größte Gasfeld der Welt. Iran und Katar teilen es sich.
Nach Israels Angriff auf das riesige Gasfeld musste die Onshore-Verarbeitungsanlage – also eine Anlage an Land, die gefördertes Gas reinigt und weiterverarbeitet – abgeschaltet werden. Das berichtete Irans halbstaatliche Nachrichtenagentur Tasnim. Auch eine Gasförderanlage auf See musste stillgelegt werden. Außerdem brach in einer weiteren Gasverarbeitungsanlage ein Brand aus.
„Das ist vermutlich der bedeutendste Angriff auf die Öl- und Gasinfrastruktur seit Abqaiq“, sagt Jorge Leon gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Der Analyst bei Rystad Energy und frühere Mitarbeiter des Opec-Sekretariats bezieht sich auf den Angriff auf die Ölverarbeitungsanlage Abqaiq und das Ölfeld Churais im Osten Saudi-Arabiens 2019. Durch ihn halbierte sich die saudische Ölproduktion damals kurzfristig.
Zwar bekannten sich die Huthi-Rebellen aus dem Jemen zu dem Angriff. Die USA und Saudi-Arabien machten jedoch den Iran verantwortlich. Durch die Attacke war der Ölpreis in den folgenden Tagen um bis zu 20 Prozent gestiegen.
Allerdings produzierte Saudi-Arabien einen großen Teil seines Öls für den Export. Irans Gasproduktion aus dem South-Pars-Feld dagegen dient hauptsächlich dem Eigenbedarf. Dennoch stufen Experten die Angriffe am Samstag als bedeutend ein. So etwa Richard Bronze, Leiter für Geopolitik beim Beratungsunternehmen Energy Aspects. Es stelle sich nun die Frage, „ob Israel weitere iranische Energieinfrastruktur ins Visier nimmt“.
Verteuern sich durch den Krieg im Nahen Osten nun also die Energiepreise? Kurzfristig ja. So stieg der für das europäische Preisniveau richtungsweisende Terminkontrakt Amsterdam TTF bereits am Freitag, also vor den Angriffen auf South Pars, in der Spitze um bis zu 6,6 Prozent.
Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen stellte Israel aus Sicherheitsgründen die Produktion auf seinem größten Erdgasfeld, Leviathan, ein. Zwar ist dessen Anteil an der Gesamtmenge des in Europa verbrauchten Gases sehr gering. Im Jahr 2022 betrug er vier Prozent.
Doch seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Europa einen großen Teil der russischen Pipeline-Lieferungen durch Flüssiggas- (LNG-)Schiffslieferungen, etwa aus den USA, ersetzt. Hier konkurriert Europa aber mit Abnehmern aus Asien. Deshalb reagiert der europäische Gaspreis nun stärker auf Produktionsunterbrechungen weltweit.
Israels Gas wird vor allem an Ägypten geliefert, wo derzeit aufgrund des heißen Sommers der Kühlungs- und somit Energiebedarf steigt. Fallen die israelischen Lieferungen länger aus, wäre Ägypten zu vorzeitigen LNG-Einkäufen gezwungen, wodurch sich der globale Wettbewerb um LNG-Lieferungen weiter verschärfen würde.
Zum anderen fürchten Marktteilnehmer, dass der Iran die Straße von Hormus blockiert. Durch die Meerenge, die den Persischen Golf und den Golf von Oman verbindet, werden rund 65 Millionen Tonnen LNG transportiert, wie David Fyfe, Chefökonom der Preisberichtsagentur Argus Media, in einem Marktkommentar schreibt. Das entspreche etwa 15 Prozent des weltweiten LNG-Handels.
Bisher hätten die schwachen konjunkturellen Aussichten, die gedämpfte LNG-Nachfrage aus Asien sowie die Lockerung der europäischen Vorschriften für die Wiederbefüllung der Gasspeicher für den Winter die Gaspreise in Schach gehalten.
Zudem stünde die Inbetriebnahme neuer LNG-Kapazität in den USA bevor. Das dürfte einen Anstieg der Gaspreise bremsen, glaubt Fyfe – „sofern es nicht zu einer vollständigen Blockade der Straße von Hormus kommt“. Das hält der Ökonom allerdings für unwahrscheinlich. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein. Auch Helima Croft, Leiterin der globalen Rohstoffstrategie bei RBC Capital Markets und ehemalige CIA-Analystin, sagt mit Blick auf die US-Flotte bei Bahrain: „Unseres Wissens nach wäre es für den Iran extrem schwierig, die Meerenge über längere Zeit zu blockieren.“
Trotzdem reagierten vor allem die Ölpreise am Freitag auf dieses Extremszenario und stiegen in der Spitze um bis zu 14 Prozent. Das war der größte Preisanstieg seit März 2022, nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte.
Analysten, die angesichts des Zollstreits und der jüngsten Produktionserhöhungen der erweiterten Ölallianz Opec plus bisher eher ein Überangebot und niedrigere Ölpreise prognostizierten, überboten sich plötzlich in ihren Preisprognosen. Sollte der Extremfall einer Blockade der Meerenge eintreffen, seien Preissteigerungen weit über 100 US-Dollar möglich, warnten sie. Doch auch schon geringfügigere Unterbrechungen in der Ölproduktion und -versorgung könnten zu höheren Preisen führen.
Der Iran förderte im April laut dem Report der Ölallianz Opec plus rund 3,3 Millionen Barrel. Das sind etwa drei Prozent der weltweiten Ölproduktion.
Etwa 1,7 Millionen Barrel pro Tag exportiert der Iran, hauptsächlich nach China. Denn Irans Ölexporte sind zwar sanktioniert. Doch China missachtet diese Sanktionen und importiert über Umwege den Großteil des iranischen Öls. US-Präsident Donald Trump hatte die Ölsanktionen gegen den Iran in seiner ersten Amtszeit eingeführt und nun, in seiner zweiten Amtszeit, verschärft.
Sollte Israel Teile der iranischen Ölinfrastruktur zerstören, könnten für etwa zwei Monate rund 1,5 Millionen Barrel pro Tag vom Markt genommen werden, prognostiziert George Saravelos, Leiter der Devisenanalyse bei der Deutschen Bank. In diesem ersten Szenario könnte der Preis der Rohölsorte Brent dann bis zum dritten Quartal auf 75 US-Dollar pro Barrel steigen.
Gelänge es den USA oder den G7-Staaten, Irans Ölexporte durch gezielte Sanktionen auf null zu senken, könnte der Preis in Szenario zwei sogar auf 77 US-Dollar pro Fass anziehen.
Doch selbst bei einem Rückgang der Ausfuhren um nur die Hälfte dürfte ein Barrel der Sorte Brent im dritten Quartal 2025 bereits 74 US-Dollar kosten, nehmen die Analysten der Bank an.
Exakt auf diesem Preisniveau befindet sich das Barrel Brent-Öl tatsächlich schon jetzt.
In der Vergangenheit ist der Ölpreis, nachdem er wegen Entwicklungen im Nahen Osten gestiegen ist, stets wieder auf sein vorheriges Niveau abgesackt. Das lag zuletzt bei rund 65 US-Dollar. Sollte also keines der drei Szenarien eintreffen, könnte der Preis auch wieder sinken.
Handelsblatt