241 Milliarden Euro: EU plant Ausbau der Atomkraft

17. Juni 2025

Energie. Die nukleare Leistung soll bis 2050 auf 109 Gigawatt steigen. Finanziert wird das auch von der Weltbank. In diesem Jahr wird die Produktion von Atomstrom „die höchste in der Geschichte sein“.
Wien. Die Europäische Union will massiv in Atomenergie investieren: Insgesamt 241 Milliarden Euro sind laut einem am Freitag veröffentlichten Bericht der EU-Kommission notwendig, um die Kapazitäten bis 2050 deutlich auszubauen. Um das finanzielle Risiko für private Investoren abzufedern, seien neue Finanzierungsinstrumente erforderlich, so die Kommission.


Konkret soll die nukleare Leistung von derzeit 98 auf 109 Gigawatt steigen. Geplant sind Investitionen von 205 Milliarden Euro in neue Reaktoren sowie weitere 36 Milliarden Euro für die Verlängerung der Laufzeiten bestehender Anlagen. Die Mittel sollen aus öffentlichen und privaten Quellen kommen. Die Rolle der Atomkraft zur Senkung der CO₂-Emissionen ist in der EU seit Jahren umstritten. Während Frankreich auf Kernenergie als zentralen Baustein seiner Energiepolitik setzt, lehnt Deutschland den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken ab. Aktuell betreiben zwölf der 27 Mitgliedstaaten Atomreaktoren.


Auch die Weltbank will „nach Jahrzehnten“ wieder in die Finanzierung von Atomkraft einsteigen. Dies schrieb Weltbank-Chef Ajay Banga in einer E-Mail an seine Mitarbeiter, die der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag vorlag. Dabei werde die Bank eng mit der Internationalen Atomenergiebehörde zusammenarbeiten, „um unsere Fähigkeit zur Beratung über Nichtverbreitungsmaßnahmen“ und regulatorische Rahmenbedingungen zu stärken. Die Stromproduktion aus Atomkraft wird nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) in diesem Jahr einen neuen Rekordstand erreichen. Weltweit seien Reaktoren mit Kapazitäten in Höhe von 70 Gigawatt im Bau. Angetrieben wird der Trend zu mehr Atomkraft demnach auch von der wachsenden Stromnachfrage für Technologien wie künstliche Intelligenz. Insgesamt werde die Atomstromproduktion 2025 einen Umfang von rund 2900 Terawattstunden erreichen, prognostizierte die IEA. Dies bedeute einen Anteil von knapp zehn Prozent an der gesamten Stromproduktion.


China führt Entwicklung an
Im Jahr 2023 hatten Atommeiler noch 2742 Terawattstunden erzeugt, 2024 nach vorläufigen Zahlen 2843. „Wir treten in eine neue Ära der Kernenergie ein“, sagte IEA-Chef Fatih Birol zu AFP. Heuer werde die Produktion von Atomstrom „die höchste in der Geschichte sein“. Nachdem sich die Atomkraft nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 international noch auf dem Rückzug befunden hat, wird die aktuelle Entwicklung insbesondere von China angeführt. Von den 52 Reaktoren, mit deren Bau seit 2017 weltweit begonnen wurde, sind 25 chinesische Konstruktionen. „Die globale Geografie derAtomindustrieändert sich“, erklärte Birol und erinnert daran, dass die globaleAtomindustrieseit 1970 von den USA und Europa dominiert worden sei. In Europa stammten in den 1990er-Jahren noch 35 Prozent des Stroms aus Atomkraft. Derzeit sind es weniger als 25 Prozent. In den USA ist die Lage ähnlich.


Atomgegner kritisierten, dass die IEA die „Atomrenaissance herbeizuschreiben“ versuche. „Seit 1996 hat sich der Anteil der Atomenergie an der weltweiten Stromerzeugung etwa halbiert. Damals lag er auf dem historischen Spitzenwert von 17,5Prozent, 2023 nur noch bei 9,1Prozent“, betonte Herbert Stoiber, Geschäftsführer von Atomstopp_atomkraftfrei leben!, in einer Aussendung.

Die Presse