Raffinerien und Gasdepots werden zu Angriffszielen

17. Juni 2025

Israel nimmt die iranische Energieinfrastruktur ins Visier, eine Raffinerie bei einem der größten Erdgasfelder der Welt wurde beschädigt. Für Iran, Israel und die Welt steht angesichts dieser Eskalation viel auf dem Spiel.

Binnen weniger Stunden hat sich die Lageeinschätzung zum israelisch-iranischen Krieg verändert. Noch am Freitag betonten Analysten, dass es so aussehe, als könnte der Energiesektor im Krieg außen vor bleiben. Israel greife militärische Ziele, Nuklearanlagen an und töte hochrangige Militärs und Wissenschafter, werde aber die Energieinfrastruktur des Iran wohl verschonen. Wozu Erdöl- und Gasanlagen ins Visier nehmen, damit die Preise an den Energiemärkten hochtreiben und so den Argwohn der US-Regierung auf sich ziehen?


Doch diese Einschätzung erwies sich schon am Samstagabend als nicht mehr haltbar, nachdem Israel aus der Luft eine Raffinerie beim iranischen South-Pars-Gasfeld angriff und in Brand schoss. In der Folge hat der Iran die Gasförderung auf dem Feld teilweise eingestellt.


South Pars ist eines der größten Erdgasfelder der Welt und liegt im persischen Golf, der Iran und Katar beuten die Gasvorkommen dort gemeinsam aus. Ebenfalls am Wochenende hat Israel in Teheran eine Ölraffinerie und ein Gasdepot attackiert. Die Antwort des Iran folgte prompt mit einem Angriff auf den Großraum Haifa. Eines der Ziele, die getroffen wurden: eine israelische Raffinerie, die laut israelischen Medien jedoch weiterlaufen kann.

Die Ausweitung des Krieges auf Energieinfrastruktur birgt für beide Seiten hohe Risiken. Für Israel ist die Motivation hinter den Angriffen naheliegend: Etwa ein Viertel der Staatseinnahmen des Iran stammt aus dem Verkauf von Erdöl- und Erdgas, wie das Emirates Policy Center, ein Thinktank in Abu Dhabi, vorrechnet. Auf rund 78 Milliarden US-Dollar beliefen sich die Einnahmen aus dem Geschäft allein im vergangenen Jahr. Jede Unterbrechung des Ölgeschäfts würde das iranische Regime hart treffen.


Die iranische Energieinfrastruktur gilt zudem als relativ leichtes Ziel: 96 Prozent der Erdölexporte laufen laut dem Rohstoffanalysten Kpler über eine Hafenanlage auf der Insel Charg im persischen Golf. Die Insel war bisher kein Angriffsziel.


Der Iran exportierte noch im Jahr 2018 rund zwei Millionen Barrel Erdöl am Tag, neben China zählte damals auch die EU und Japan zu den großen Abnehmern. Der Kollaps des Atomdeals mit dem Iran im selben Jahr – US-Präsident Donald Trump kündigte das Abkommen mit dem Iran auf – sorgte dafür, dass Irans Ölverkäufe kollabierten. Die Rückkehr der US-Sanktionen schreckt viele Käufer seitdem ab.
Dem Iran ist es jedoch gelungen, das Geschäft wiederzubeleben, im vergangenen Jahr veräußerte Teheran bereits rund 1,5 Millionen Barrel am Tag. Einzige Käufer: chinesische Unternehmen. Laut Kpler sind es vor allem nichtstaatliche Raffinerien, die das Öl aus dem Iran kaufen, das oft mit Abschlägen von sechs bis sieben Dollar im Vergleich zu den in Europa und Nordamerika angebotenen Sorten gehandelt wird.

Jede Störung treibt Preise
Die Angriffe auf die Energieinfrastruktur werden nicht nur in China, sondern auch im Westen beobachtet. Bereits am Freitag haben Öl- und Gaspreise zugelegt. Ein Barrel Öl (Brent) verteuerte sich um sieben Prozent. An der europäischen Gasbörse TTF stiegen die Preise für Gaslieferungen im Juli um fünf Prozent.


Dabei drehen sich die Sorgen weniger um einen Ausfall des Irans als Lieferland. Fast ein Drittel des maritimen Ölhandels läuft über die Straße von Hormus. Rund 15 Millionen Barrel werden durch Meerenge täglich transportiert, das meiste Öl kommt aus Saudi-Arabien, Irak, den Emiraten. Der Iran hat öfter gedroht, die Meeresstraße zu schließen, als Druckmittel gegen den Westen.

Sollte der Iran die Straße von Hormus zu schließen versuchen, würde das den Erdölpreis auf über 100 Dollar je Barrel steigen lassen, sagte Homayoun Folakshahi von Kpler, und zwar selbst dann, wenn die USA die Meerstraße wieder militärisch öffnen würden, wovon alle Beobachter ausgehen. Die Unsicherheit angesichts möglicher Angriffe auf Öltanker in der Meerenge würde ausreichen, um die Ölpreise hochzuhalten. Aktuell kostet ein Barrel 75 Dollar.


Nervöse Gasmärkte
Dazu kommt, dass auch befürchtet wird, der Iran könnte Ölanlagen der Nachbarländer attackieren. Im September 2019 wurden im östlichen Saudi-Arabien zwei Anlagen der saudischen Ölgesellschaft Saudi Aramco durch Drohnen und Marschflugkörper angegriffen. Die Ölpreise stiegen um mehr als zehn Prozent an, die USA machten die mit dem Iran verbündeten Huthi-Rebellen im Jemen verantwortlich.


Der Iran hätte von einer Ausweitung des Krieges auf die Öl-Infrastruktur seiner Nachbarländer wohl wenig, zumal sich die Beziehungen zu Saudi-Arabien zuletzt etwas normalisiert haben.
Wie seit dem Wochenende feststeht, geht es aber gar nicht nur ums Öl, sondern auch ums Gas. Der Iran produziert jährlich 275 Millionen Kubikmeter Gas, was sechs Prozent der weltweiten Gasproduktion entspricht. Allerdings exportiert das Land kein Gas, sondern nutzt es selbst, insbesondere zur Elektrizitätsgewinnung. Laut dem Brüsseler Thinktank Bruegel kommen nur acht Prozent der LNG-Importe in die EU aus dem Mittleren Osten. Viel bedeutender sind für Europa die Lieferungen aus den USA, woher 60 Prozent des LNG kommen. Aber der Ausfall Russlands hat aus europäischer Sicht das Angebot an Gas verknappt, sodass selbst kleinere Ausfälle die Preise treiben könnten. Ein Fünftel des LNG-Transports erfolgt über die Straße von Hormus. Sollte Katar als Lieferant ausfallen, würde das den Gaspreis von aktuell unter 40 Euro je Megawattstunden auf 100 Euro treiben, so die Rabobank.


Und wie sieht es in Israel aus? Israel muss sein gesamtes Öl importieren, fast alles läuft über den Mittelmeerhafen von Ashkelon. Sollte der Hafen durch iranische Angriffe lahmgelegt werden, hätte Israel Reserven für etwa einen Monat, so Analyst Folakshahi von Kpler.

Der Standard