Stromkunden steuerlich entlasten!

13. Oktober 2025, Wien

Verbund-CEO Michael Strugl mahnt eine Senkung der Abgaben auf Energie ein, auch der Mehrwertsteuer. Im Hinblick auf den Standort hält er eigene Stromerzeugung für das Gebot der Stunde und erklärt am Beispiel Griechenlands, was harte Reformen an Positivem bewirken können.


TREND: Was zahlt Verbund heuer an Energiekrisenbeitrag, über den Sie ja nicht glücklich sind?
STRUGL: Wir rechnen mit 50 bis 100 Millionen Euro. Und ich schicke voraus, dass wir uns dazu bekennen, unseren Beitrag zu leisten, bin aber der Meinung, dass es nicht die beste Idee ist, Erlöse abzuschöpfen. Es ist einfach ein schlechtes Signal für Investoren und den Kapitalmarkt. Die Branche zahlt über fünf Jahre insgesamt eine Milliarde Euro. Das heißt irreführend Energiekrisenbeitrag, ist aber ein Budgetsanierungsbeitrag.

Wäre dem Standort mehr gedient, würde das Geld investiert statt im Budget abgeliefert?
Natürlich fehlt das Geld bei den Investitionen. Eine Milliarde hat einen Leverage-Effekt von vier weiteren Milliarden, die als Konjunkturmotor fehlen. Die Branche bekennt sich trotzdem dazu, erwartet aber, dass diese Mittel den Stromkund:innen zugutekommen.

Indem die Energiesteuern gesenkt werden?
Ja. Es wäre fair, Verbraucher zu entlasten. Das würde massiv helfen, auch bei der Inflation, die gestiegen ist, weil Elektrizitätsabgabe oder Ökostrombeitrag zu Jahresanfang wieder eingeführt wurden. Steuern und Abgaben machen für einen Haushalt ungefähr 30 Prozent der Stromrechnung aus. Eine Senkung wäre sofort wirksam und spürbar. Die meisten Anbieter haben ihren Strompreis zwischenzeitlich mehrfach reduziert.

Sollte das auch die Mehrwertsteuer umfassen?
Ich meine, ja. Das wurde ja schon diskutiert. Wenn die Politik zu Recht sagt, dass Strom billiger sein sollte, ist es kontraproduktiv, on top noch 20 Prozent draufzuschlagen.

Der Finanzminister sagt, er hat dafür keinen Spielraum im Budget.
Politische Gestaltung heißt, Spielräume zu schaffen: mit ausgabenseitigen Maßnahmen, etwa bei Förderungen, oder mit Strukturreformen. Die öffentliche Hand gibt in Summe rund 280 Milliarden Euro im Jahr aus, der Bund alleine 123 Milliarden. Da sehen wir Potenzial. Deutschland entlastet bei den Steuern, plant einen Industriestrompreis und gibt Zuschüsse bei den Netzgebühren.

Manche meinen, der Mehrheitseigentümer Staat sollte bei Verbund lieber in die Tarife eingreifen
… Preiseingriffe sind EU-rechtlich gar nicht möglich, außer die EU ruft offiziell eine Energiekrise aus.
Aber sagt nicht auch der Wirtschaftsminister, dass die Unterstützung des Standorts Priorität hat, nicht nur die

Dividende?
Das sehen wir genauso. Es geht nicht um reine Profitmaximierung, sondern um Standortinvestitionen in die Versorgungssicherheit durch den Bau von Kraftwerken, Netzen und Speichern. Dazu gehören aber keine Preiseingriffe.

Was antworten Sie auf Vorwürfe, dass die Energieversorger sinkende Marktpreise verspätet oder nur teilweise an die Verbraucher weitergeben?
Verbund und die meisten anderen Versorger haben die Preise, als sie 2022 durch die Decke gegangen sind, nie in diesem Ausmaß an die Kunden weitergegeben. Das ist nachweisbar. Bis Ende 2023 lagen die Tarife deutlich unter den Marktpreisen. Als es dann wieder nach unten ging, trat der umgekehrte Effekt ein, was aber mit Hedging und langfristiger Beschaffung zu tun hat. In Summe gleicht sich das über eine Periode aus.


Bundeswettbewerbsbehörde und E-Control sehen ein Problem auch in zu wenig Wettbewerb. Zu Recht?
Mit der Marktsituation stimmt das nicht überein. Jeder in Österreich kann sich seinen Anbieter frei aussuchen. Ein Wechsel ist nicht schwierig. Und es ist einfach für Wettbewerber, in den Markt einzutreten. Manche alternative Versorger, die Strom nur handeln, haben sich allerdings vom Acker gemacht und Kunden gekündigt, als die Preise raufgingen. Auch wird behauptet, dass die Preise wegen der hohen Marktkonzentration zu hoch sind. Das klingt zwar ziemlich schlüssig, aber: Wo sind die Marktanteile der Landesversorger am größten? In Westösterreich. Und dort sind die Preise am niedrigsten.

Wäre nicht mehr Liberalisierung bzw. Privatisierung sinnvoll? Weil die öffentlichen Eigentümer der Versorger schon im Interessenkonflikt stehen: Je günstiger der Strom, desto weniger kassieren sie von ihnen.
Ich glaube, es beginnt bei der grundsätzlichen Entscheidung, ob ich mehr Markt oder mehr Regulierung will. Ich bin mir da in Österreich nicht immer sicher. Man ruft nach mehr Wettbewerb, aber es kommt ein Gesetz, das zusätzliche Regulierung bringt. Mit der These, dass mehr Freiheit für die Unternehmen den Energiepreis senkt, steht das im Widerspruch. Gleichzeitig ist es meine Überzeugung, dass die öffentliche Hand ein berechtigtes Interesse hat, an Energieunternehmen und Infrastruktur beteiligt zu sein. Mit Marktprinzipien ist das gut vereinbar.

87 Mrd. bis 2027 Die FPÖ fordert vehement, wieder auf russisches Gas zu setzen. Hätten wir damit das Preisproblem gelöst?
Ich sehe das nicht. Es gibt eine Korrelation zwischen Strom- und Gaspreis. Aber die Slowakei und Ungarn haben noch russisches Gas. Und dort sind die Strompreise höher als bei uns. Die günstigsten Preise gibt es in Skandinavien. Deshalb ist das Gebot der Stunde, so viel eigene Erzeugung wie möglich zu haben. Das sehen wir auch in Frankreich durch die Atomkraft, in Spanien durch Solarenergie und zunehmend in Deutschland durch die Windenergie. Das Gebot der Stunde für die Energiepolitik ist, mehr Angebot aus günstiger, eigener Erzeugung in den Markt zu bringen. Das dient der Versor gungssicherheit und dämpft die Preise. Für den Ausbau erneuerbarer Energien gibt es damit neben dem Klimaschutz ein ganz handfestes wirtschaftliches Argument.

Und wo sollte der Hauptfokus liegen? Auf Wasser, Sonne oder Wind?
Auf allen Technologien, die uns zur Verfügung stehen. Wir brauchen jede Kilowattstunde. Wichtig ist ein ausgewogener Mix in der Erzeugung. Aktuell haben wir eine Übergewichtung von Solarstrom und zu wenig Windkraft. Bei Wasserkraft machen wir alles, was vernünftigerweise noch geht. Das sind vor allem die großen Speicher, die Verbund baut. Fast 600 Millionen haben wir allein für das kürzlich fertiggestellte Kraftwerk Limberg 3 investiert. Bei der Laufwasserkraft haben wir Projekte für rund 670 Millionen, um durch Revitalisierungen bestehender Anlagen zusätzliche 140 Megawattstunden rauszuholen. Die Politik muss Signale setzen, die Investitionen anreizen. Die Erhöhung der Netzentgelte für Erzeuger, wie im neuen ElW-Gesetz vorgesehen, zählt dazu nicht. Im Gegenteil. Der Netzkostenanteil für österreichische Kraftwerke ist schon jetzt der zweithöchste in Europa. Was niemand wollen kann.

Die steigenden Netzkosten belasten auch die Haushalte. Ist es effizient, wenn über 120 Netzbetreiber in so einem kleinen Land agieren?
Nein, aber das ist historisch gewachsen. Durch Konsolidierung, die kommen wird, sind sicher Einsparungen möglich. Der wesentliche Kostentreiber ist jedoch der enorme Investitionsbedarf für die Netzgesellschaften aufgrund des Umbaues des Energiesystems. Wie und von wem diese Kosten langfristig geschultert werden können, wird noch Gegenstand vieler politischer Diskussionen sein. Bei den Netzkosten geht es um eine Dämpfung, denn sie steigen in jedem Fall an. Ziel muss sein, das in einem Rahmen zu halten, den Industrie und Haushalte verkraften können.

Sie waren lange Politiker. Was würden Sie aktuell tun?
Das gesamte rechtliche und regulatorische Framework sollte so gestaltet werden, dass eine Investition in zusätzliche Erzeugung attraktiv ist. Dazu gehören auch schnellere Verfahren für den Ausbau. Es gäbe genügend willige Investoren. Allein Verbund wird in den nächsten drei Jahren fast sechs Milliarden in die Hand nehmen, wenn die Bedingungen passen. Die Branche wird bis 2040 ungefähr 100 Milliarden Euro investieren. Projekte zu belasten wäre auch angesichts der momentanen Wachstumsflaute volkswirtschaftlich nicht sehr vernünftig.

Diese Regierung hat sich Entbürokratisierung auf die Fahnen geheftet. Ist davon schon was bei den Unternehmen angekommen?
Sie hat wichtige energiewirtschaftliche Gesetze auf den Weg gebracht, was die letzte Regierung nicht geschafft hat. Grundsätzlich sind Schritte in die richtige Richtung und gute Ansätze zur Vereinfachung und Beschleunigung erkennbar. Man muss aber auch die Behörden entsprechend ausstatten, etwa mit Sachverständigen, damit die Dinge dort nicht hängen bleiben.

Macht sich die Regierung aus Sicht des Managers und Ex-Politikers den Ernst der wirtschaftlichen Lage in Österreich in vollem Umfang bewusst?
Ich kommentiere politische Vorgänge nur im energiepolitischen Kontext. Da wünsche ich mir eine Versachlichung der Debatte. Dass die Energiepreise eine Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit spielen, ist unbestritten. Es gibt aber andere Faktoren wie Bürokratie- und Lohnstückkosten, die zum Teil einen noch größeren Einfluss darauf haben. Das sollte man faktenbasiert im Blick haben.

Würde ein Politiker, der klar sagt, dass der Staat nicht alles richten und phasenweise Wohlstandsverluste nicht wegreden kann, bei Wahlen nicht vielleicht sogar besser abschneiden?
Lassen Sie mich mit einem Blick ins Ausland antworten. Ich habe heuer den griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis getroffen. Griechenland war das Armenhaus Europas vor 15 Jahren. Die Staatspleite drohte. Die Demagogen haben gesagt, es muss nur anders verteilt werden, dann ist alles gelöst. Was nicht funktionierte. Mitsotakis setzte dann harte Reformen und Einsparungen um, die für die Bevölkerung schwer zu tragen waren. Heute wächst Griechenland weit über dem EU-Durchschnitt und verzeichnet Budgetüberschüsse. Und er hat eine absolute Mehrheit. Aber ich gebe keine Empfehlungen oder Haltungsnoten aus dem Off ab. Ich bin nicht mehr in der Politik. „Wenn Politik zu Recht sagt, Strom soll billiger werden, ist es kontraproduktiv, noch 20 Prozent on top draufzuschlagen.“
DIE ZAHLEN zu Österreichs größtem Stromkonzern
→ GESAMTUMSATZ 2024: 8,21 Mrd. Euro, minus 21,1 Prozent ggü. 2024
→ KONZERNGEWINN: 1,98 Mrd. Euro, minus 24,5 Prozent ggü. 2024
→ ERGEBNIS PRO AKTIE: 5,40 Euro
→ DIVIDENDE: 2,80 Euro
→ MITARBEITER: 4.150 (2024)
→ INVESTITIONEN: 5,87 Mrd. bis 2027

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