Wie KI Stromnetze entlasten könnte

30. Oktober 2025

Laut der Strategieberatung „Strategy&“ ist Künstliche Intelligenz in der E-Wirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette einsetzbar – zum Vorteil von Unternehmen und Haushalten.

Der Siegeszug der Künstlichen Intelligenz (KI), bekannt auch als AI (Artificial Intelligence), scheint unaufhaltsam. Und doch gibt es Unterschiede. In der E-Wirtschaft scheint der Einsatz von KI der Geschwindigkeit der Elektronen angepasst. Während sich das elektrische Feld fast mit Lichtgeschwindigkeit nahe 300.000 km pro Sekunde durch den Leiter ausbreitet, geht es bei der gerichteten Bewegung einzelner Elektronen gemütlich zu: Sie bewegen sich mit etwa 1,5 Metern pro Stunde. Warum Energieunternehmen beim Einsatz von KI Branchen wie Einzelhandel, Telekommunikation oder Finanzwirtschaft hinterherhinken, habe wohl mit dem hohen Grad an Zuverlässigkeit zu tun, der von Stromproduzenten als Teil der kritischen Infrastruktur garantiert werden muss, vermuten manche Experten.
„Da ist was dran“, sagt Johannes Schneider, Partner bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC. Die Energiewirtschaft sei Asset-intensiv und habe hohe Kapitalinvestitionen in teure, komplexe Sachanlagen zu tätigen. „Solche Branchen müssen bis zu einem gewissen Grad risikoavers sein“, sagt Schneider im STANDARD-Gespräch. Zudem seien viele Energieunternehmen zuletzt mit dem Neuaufsetzen der Datenverarbeitung gefordert gewesen. Manchen habe schlicht die Zeit gefehlt, sich frühzeitig mit KI und deren Möglichkeiten zu beschäftigen. Das ändere sich nun. Mit der Einführung von KI könnten in der Energiewirtschaft laut einer von Strategy& durchgeführten Studie Kostensenkungen von mehr als 60 Prozent und Produktivitätssteigerungen von über 50 Prozent realisiert werden.
In der Stromwirtschaft gebe es entlang der gesamten Wertschöpfungskette Möglichkeiten, KI „klug und sinnvoll“ einzusetzen. Das fange bei der Optimierung des Brennstoffeinsatzes an – etwa in Gaskraftwerken, die an windschwachen, trüben Tagen ans Netz müssen; die Einsatzmöglichkeiten umfassten aber auch das breite Feld der Fernwartung, etwa von Wind- oder Solarparks, was ebenfalls Kosten und Zeit sparen helfe.

Chatbots im Kundenservice


Ein weiterer großer Anwendungsfall sei der Bereich des Kundenservice, wo Chatbots Prozesse wie Adressänderungen oder die Erstellung von Kundenprofilen automatisieren. KI helfe auch bei der Analyse von Kundenkommunikation und der Angebotserstellung, was zu mehr Effizienz und tendenziell höherer Zufriedenheit aufseiten der Kundinnen und Kunden führe.

Einiges sei mit Künstlicher Intelligenz auch im Netzbereich möglich, wo die zuletzt stark gestiegenen Kosten für Redispatch-Maßnahmen eingedämmt werden könnten, sagt Schneider. Redispatch beschreibt Eingriffe von Netzbetreibern in die Stromproduktion, um Netzengpässe zu vermeiden bzw. zu beheben und die Stromversorgung zu stabilisieren – Eingriffe, die mit zunehmend mehr Strom aus erneuerbaren Quellen im Netz steigen, weil die Erzeugung gehörig schwankt. Durch die Integration von Wetterdaten, die immer treffsicherer werden, und die rasche Verarbeitung derselben mittels KI ließen sich die Stromflüsse künftig zudem besser managen.

Einsatz im Haushalt

Ein weiterer Hebel, um die Netzausbaukosten, wenn schon nicht zu senken, so doch den Anstieg zu dämpfen, seien Speicher. Ihre optimale Platzierung und Steuerung sei komplex, wobei eine lernende Künstliche Intelligenz regelbasierten Systemen überlegen sei, sagt Schneider. Neue Anwendungen ergeben sich auch in den Haushalten, wo sich mittels Künstlicher Intelligenz Energiequellen wie etwa die Photovoltaikanlage am Dach mit der Wärmepumpe im Garten, dem Stromspeicher im Keller und der Wallbox in der Garage vernetzen und steuern lassen. „Wird das noch mit einem flexiblen Stromtarif kombiniert und Strom dann extern bezogen, wenn der Preis tief ist, können Haushalte bares Geld sparen“, sagt Schneider. Dann komme jedoch ein großes Aber. „Dieses Zusammenspiel funktioniert gut in Einfamilienhäusern mit relativ neuer Infrastruktur. Viel mehr Menschen leben aber in Mehrparteienhäusern, oft mit unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen. Dann wird es in der Regel sehr schnell sehr kompliziert, wenn man ein Home Energy Management System integrieren will.“

Der Standard