Mit Wasserzins zur Stromgerechtigkeit

4. November 2025

Wie die Schweiz sollte auch Österreich eine Gebühr auf Stromerzeugung aus Wasserkraft einheben, sagt eine Denkfabrik. Das sei wirksamer, als Gewinne einfach nur abzuschöpfen.

Drei Jahre und gut acht Monate ist es her, dass Russland die Ukraine überfallen hat. Kurz darauf sind die Gas- und Strompreise in nie zuvor gesehene Höhen geschossen – mit der Folge, dass stromerzeugende Unternehmen so viel verdient haben wie noch nie. Diese den besonderen Umständen geschuldeten Extraeinkünfte, in der politischen Diskussion als Übergewinne bezeichnet, sorgen immer noch für heftige Diskussionen. Nun lässt das Momentum-Institut mit einem Vorschlag aufhorchen. Ein Wasserzins nach Schweizer Vorbild müsse her. Damit könnte mehr Gerechtigkeit in der Stromwelt hergestellt werden.

Worum geht es? Die gewerkschaftsnahe Denkfabrik spricht sich für eine Gebühr auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft aus – in Österreich die tragende Säule der Stromerzeugung. Viele Wasserkraftwerke sind vor vielen Jahren errichtet worden und längst abgeschrieben. Strombezieher und -bezieherinnen merken davon nichts. Sie sind gezwungen, die hohen Preise zu zahlen, die gemäß Angebot und Nachfrage an den Börsen gebildet werden, wobei das letzte, gerade noch notwendige Kraftwerk den Preis aller anderen bestimmt – Stichwort Merit-Order.

Zwar haben sich die Strompreise mittlerweile von ihren Rekordhöhen entfernt; sie liegen aber immer noch deutlich höher als vor der Krise und werden nach Einschätzung des Momentum-Instituts absehbar dort bleiben. Darauf deuteten Notierungen auf den Terminmärkten hin, wo Strom auf Jahre im Voraus gehandelt wird. Übergewinne wären somit nicht etwas Einmaliges, sie würden Jahr für Jahr anfallen. Der Wasserzins, wie ihn die Schweiz seit mehr als 100 Jahren einhebt, sei „ein wirkungsvolles Instrument zur Abschöpfung von permanenten Übergewinnen“, schreibt das gewerkschaftsnahe Institut in einem achtseitigen Papier, das dem STANDARD vorliegt. Mit ihm bleibe das Merit-Order-System intakt, der Wasserzins füge sich in das bestehende Preissystem nahtlos ein.

Unter den Erwartungen

In der Schweiz liegt die entsprechende Abgabe aktuell bei 1,5 Cent pro Kilowattstunde (kWh). In Österreich wird seit Dezember 2022 von den Stromerzeugern ein Energiekrisenbeitrag eingehoben. Ursprünglich rechnete die Bundesregierung mit Einnahmen von zwei bis vier Milliarden Euro pro Jahr aus diesem Titel. Geworden sind es 2023 tatsächlich 255 Millionen Euro, zumal Investitionen in Erneuerbare vergleichsweise großzügig gegengerechnet werden konnten. 2024 kam in etwa die selbe Summe zusammen. Der Energiekrisenbeitrag-Strom ist mittlerweile bis Ende März 2030 fixiert worden. Damit werde aber nur ein kleiner Teil der Übergewinne abgeschöpft, konstatiert das Momentum-Institut. Umgerechnet auf die Kilowattstunde bedeute das eine Abgabe von 0,33 Cent.

Obwohl Österreich zu etwa 80 Prozent erneuerbare Energie nutzt, werden die Strompreise maßgeblich von importiertem Gas bestimmt. Der Wasserzins – und vergleichbare Abgaben auf Windkraft und Solarenergie – ermögliche eine Abschöpfung der Übergewinne, ohne die Marktmechanismen selbst anzugreifen, schreiben die Studienautoren Paul Steinmaßl und Leonard Jüngling. Eine Abgabe für Wind, Wasser und Solar nach Schweizer Vorbild – 1,5 Cent je kWh – würde etwa 870 Millionen Euro pro Jahr bringen. Das sind etwa 615 Millionen Euro mehr als durch den Energiekrisenbeitrag hereinkommen.

Dieses Geld könnte zur sozialen Abfederung der hohen Strompreise genutzt werden, bei denen heuer vor allem die gestiegenen Netzkosten, aber auch die wieder vollumfänglich eingehobenen Steuern und Abgaben zu Buche schlagen. Zum Vergleich: Da in Österreich pro Kopf und Nase im Schnitt 500 Euro an Stromkosten anfallen, könnten mit den zusätzlich eingenommenen 615 Millionen Euro dem ärmsten Bevölkerungsfünftel zwei Drittel der Stromkosten rückerstattet werden – oder der unteren Hälfte ein Viertel. Alternativ könnten 13 Prozent des Strompreises für alle Haushalte übernommen werden.

Ein Rückgang der Investitionen in Erneuerbare wäre durch den Wasserzins nicht zu erwarten, meint das Momentum-Institut. Eine Abgabe in der vorgeschlagenen Höhe mache nur ein Viertel der Übergewinne aus.

Der Standard