Beim Heizen und im Verkehr ist Tempo gefragt. Gleichzeitig werden gesetzliche Vorgaben gelockert. Und die Industrie wird länger von CO2-Zahlungen befreit.
Offiziell soll Österreich bis 2040 klimaneutral sein. So steht es im Regierungsprogramm. Doch das Ziel ist mit dem derzeitigen politischen Kurs kaum mehr erreichbar – Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) verweist stattdessen auf „unionsrechtliche Klimaziele“, also die Ziele der EU. In Brüssel gibt es dazu seit Dienstagnacht eine neue Vorgabe: minus 90 Prozent bis 2040 im Vergleich zu 1990. Das ist zwar weniger als noch vor ein paar Jahren angekündigt, doch auch für das niedrigere Ziel fehlt noch einiges. Was heißt die Einigung auf das neue Klimaziel übersetzt für Österreich?
Die großen Baustellen sind bekannt: Gebäude und Verkehr. In beiden Bereichen drosselt die Politik das Tempo. Die Neuauflage der Förderungen für den Kesseltausch soll es etwa schaffen, rund 30.000 Heizungen im Jahr umzurüsten – im Jahr davor waren es allerdings noch 80.000.
„Das ist zu langsam. Wenn deutlich weniger gefördert wird, braucht es einen Phasenplan wie jenen, der vor zwei Jahren an der Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gescheitert ist“, sagt Karl Steininger vom Wegener-Center an der Universität Graz. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz hätte damals den schrittweisen Austausch von Kohle- und Ölheizungen festzurren sollen, genauso wie den Tausch aller fossilen Gasheizungen bis 2040. Eine ähnliche Regulierung sei nicht nur für die Reduktion der Emissionen wichtig, sondern auch für die Betriebe, betont Steininger: Aufgrund der starken Schwankungen in den Förderungen sehen sie derzeit starke Fluktuation. Ein gesetzlich vorgegebener Zeitplan für den Umstieg würde zu einer regelmäßigeren Nachfrage führen.
Sorgenkind Verkehr
Und auch im Verkehrsbereich ist Österreich noch weit entfernt von den minus 90 Prozent bis 2040. „Mit Blick auf die steigende Emissionsentwicklung der letzten Jahrzehnte ist die Umstellung des Verkehrssektors wohl die größte Herausforderung“, sagt Christoph Dolna-Gruber von der Energieagentur. Neben der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene sei die Elektromobilität die Schlüsseltechnologie.
Doch mit der Absage an das Verbrenner-Aus der EU-Kommission am Donnerstag, wird der Umstieg in Österreich weiter gebremst. „Damit wird es schwieriger, die Emissionen schnell genug zu senken“, kritisiert Lena Schilling, die das 2040er-Ziel als Schattenberichterstatterin im EU-Parlament für die Grünen mitverhandelte. „Aber das Ziel ist nun verpflichtend für alle EU-Staaten, auch für Österreich. Weite Teile der Industrie und des Energiesektors seien unterdessen bereits auf gutem Weg, meint Dolna-Gruber weiter. Sie sind im europäischen Emissionshandel (ETS) erfasst. Unternehmen müssen für jede Tonne CO2, die sie ausstoßen, ein Zertifikat kaufen. Aktuell bekommen sie eine gewisse Menge noch frei zugeteilt – diese nimmt laufend ab.
Allerdings wird auch dieses System gelockert: So beschlossen die Verhandelnden des neuen Klimaziels, auch nach 2034 noch Gratiszertifikate zu vergeben. Unternehmen wie der Stahlkonzern Voestalpine fordern diesen Schritt seit langem – andernfalls würde Geld für die Transformation fehlen, argumentiert das Unternehmen. Umweltminister Totschnig machte die Verlängerung der Gratiszertifikate zu einer Kernforderung in Brüssel. „Es geht auch darum, eine Perspektive für Österreichs Wirtschaftsstandort zu schaffen“, so Totschnig. Die Erweiterung des Emissionshandels auf Verkehr und Gebäude (ETS2) wird unterdessen um ein Jahr verschoben – auf 2028.
Besonders umstritten war im Vorfeld, ob Staaten CO2-Zertifikate in Drittstaaten kaufen und anrechnen dürfen, um auf die minus 90 Prozent zu kommen. In der Einigung steht: Fünf Prozent können gutgeschrieben werden, die Pilotphase startet 2031. Diese Zertifikate müssen nun allerdings Qualitätskriterien entsprechen – darauf hatte das EU-Parlament beharrt. Wie diese genau aussehen werden, wird noch verhandelt. Ein Gesetzesvorschlag ist für kommendes Jahr angekündigt.
Nach 2030 plant die EU-Kommission, den Fortschritt der Staaten auf dem Weg zum 2040-Ziel zu prüfen. Möglich wäre dann etwa, dass sie das Reduktionsziel hinunterschraubt, falls natürliche Senken wie Wälder oder Moore dann weniger CO2 speichern als heute angenommen.
Der Standard





