Reformjahr für die Energiewende

31. Dezember 2025

2026 muss die Bundesregierung zentrale Weichen stellen. Was sich jetzt ändert – und was scheitern könnte.
Die akuten Haushaltsengpässe sind passé, die Ministerien neu besetzt und die Koalition aus Union und SPD hat ihre ersten Krisen überstanden: Knapp ein Jahr nach der Bundestagswahl wird 2026 die Regierungsarbeit konkret. Jetzt geht die Regierung entscheidende Energiethemen an, die durch den Zusammenbruch der Ampel unbearbeitet geblieben sind. Es gilt, die im Koalitionsvertrag noch einfach formulierten Ziele vor allem im Bereich des Strommarkts in differenzierte und funktionierende Gesetze umzuwandeln.


Das Handelsblatt hat sich in der Branche umgehört und erfahren, mit welchen Entwicklungen Manager und Experten 2026 rechnen – und mit welchen eher nicht.

  1. Neue Gaskraftwerke für Deutschland
    Die Bundesregierung hat angekündigt, 2026 insgesamt zehn Gigawatt an neuen, steuerbaren Kapazitäten auszuschreiben. Gemeint sind damit Anlagen, die nach Bedarf Strom liefern können. Sie sollen – anders als Solaranlagen oder Windräder – nicht vom Wetter abhängen, sondern auch zu dunklen, windstillen Zeiten Strom ins Netz einspeisen können.

    Für diese Aufgabe sind hauptsächlich Gaskraftwerke eingeplant. Sie sollen mindestens acht der zehn Gigawatt bereitstellen. Den Rest könnten auch andere Technologien wie Batteriespeicher beisteuern.
    Auf konkrete Ausschreibungen wartet die Energiebranche seit Jahren. Im Juli 2024 hatte die Ampelregierung schon einmal verkündet, insgesamt 12,5 Gigawatt an Gaskraftwerken auszuschreiben. Doch dazu kam es wegen des Regierungsbruchs nicht mehr.

    Die Kraftwerke werden aber dringend gebraucht. So sagte Stefan Kapferer, Chef des Übertragungsstromnetzbetreibers 50Hertz, dem Handelsblatt: „In unserem Stromnetzgebiet gehen in den kommenden Jahren zahlreiche Kraftwerke vom Netz.“ Tatsächlich gehen immer mehr Kohlekraftwerke aus dem Markt, damit Deutschland die Klimaziele erreichen kann. Kapferer sagt dazu: Wer jetzt noch gegen die Notwendigkeit neuer Gaskraftwerke argumentiere, verhalte sich fahrlässig.

    Damit tatsächlich neue Gaskraftwerke gebaut werden können, müssen die Ausschreibungen allerdings so gestaltet sein, dass sich für Unternehmen die Investition in neue Kraftwerke lohnt. Denn die neuen Gaskraftwerke rechnen sich nicht von allein, da sie nur in dunklen, windarmen Zeiten einspringen sollen, statt durchzulaufen.
    Denkbar ist, dass der Staat Investitionskostenzuschüsse zahlt oder dass er eine feste, jährliche Summe beisteuert. Langfristig soll ein sogenannter Kapazitätsmarkt entstehen, bei dem die vorgehaltene Kraftwerksleistung vergütet wird. Der Unternehmensberater Andreas Schwenzer von Advyce & Company sieht da eine mögliche Bruchstelle: „Wenn die Ausschreibungsbedingungen nicht gut genug sind, ist es denkbar, dass sich niemand auf die Ausschreibung bewirbt.“

    50Hertz-Chef Kapferer ist anderer Auffassung: „Dass die Bedingungen in den Gaskraftwerksausschreibungen zu schlecht sein werden, um Gebote auszulösen, glaube ich nicht. Es ist ja davon auszugehen, dass sich interessierte Unternehmen bereits Komponenten und Materialien für die Kraftwerke gesichert haben, die sie bauen wollen.“
  2. Anpassungen beim Ausbau erneuerbarer Energien
    Im Sommer 2025 hat die Bundesregierung einen Monitoringbericht zur Energiewende veröffentlicht, den Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) in Auftrag gegeben hatte. Die Autoren sollten prüfen, ob der bisherige Kurs der Energiewende in Deutschland noch sinnvoll ist. Das Monitoring kam zu dem Ergebnis, dass beim jetzigen Stand ein starker Anstieg der Stromnachfrage in Deutschland nötig ist, um die Emissionsziele zu erreichen. So würde ein steigender Anteil von Elektroautos auf den Straßen und elektrisch betriebenen Wärmepumpen im Haushalt den Bedarf an klimaneutral produzierten Strom steigern.

    Die Studienautoren stellten aber fest, dass die Nachfrage nur moderat steigt, wenn die aktuelle Entwicklung im Markt auf die Zukunft hochgerechnet wird. Der Ansatz der Bundesregierung ist deshalb, das gesamte Stromsystem auf eine niedrigere Stromnachfrage auszulegen. So sollen hohe Kosten für einen schnellen Ausbau der Infrastruktur vermieden werden.

    Hinzu kommt, dass der Zubau von Windrädern auf dem Meer (offshore), die als wichtiges Element für eine grüne Stromversorgung gelten, einige Probleme mit sich bringt. Zum einen nehmen sich die Rotoren gegenseitig den Wind weg, wenn sie zu eng beisammen gebaut werden. Die Branche spricht von „Abschattungseffekten“. Das senkt den Anreiz, weitere Windparks neben bestehende zu bauen. Zum anderen sind die Strompreise oft so niedrig, dass Offshore-Windparkbetreiber mit dem Verkauf ihres Stroms nicht einmal kostendeckend wirtschaften können. Im August 2025 gab es erstmals bei einer Auktion für Offshore-Windkraftflächen in der Nordsee kein einziges Gebot.

    Das drosselt das Tempo: Die Flächen, für die 2025 nicht geboten wurde, werden mit ihrer Kapazität von 2500 Megawatt erneut ausgeschrieben. Die weiteren 3500 Megawatt, die eigentlich zusätzlich für 2026 geplant waren, sollen verschoben werden.

    Doch selbst dafür wird es schwierig werden, Bieter zu finden, wie aus der Branche zu hören ist. Dazu müssten sich zunächst die Konditionen ändern.
    Konkret fordern Energieunternehmen die Einführung sogenannter Contracts for Difference (CfD). Dabei würden Windparkbetreiber einen Stromverkaufspreis festlegen. Läge der Marktpreis unter diesem festgelegten Preis, würde der Betreiber vom Staat die Differenz ausbezahlt bekommen. Umgekehrt müssten Gewinne zurückgeführt werden. Auf solch ein Instrument hoffen auch jene Unternehmen, die die Stromnetze bauen sollen. 50Hertz-Chef Kapferer sagt: „Der von der Branche geforderte zweiseitige CfD ist der richtige Ansatz.“

    50Hertz brauche Planungssicherheit darüber, welche Offshore-Projekte tatsächlich realisiert würden. „Wir haben aktuell sechs Anschlussprojekte im Offshore-Bereich in unterschiedlichen Stadien der Realisierung – jedes davon kostet einen einstelligen Milliardenbetrag. Wenn am Ende ein Drittel der Projekte nicht käme, wäre das ein schwerer wirtschaftlicher Schaden und ein Rückschlag für den dringend benötigten Netzausbau.“
    Besser sieht es an Land aus. Von einem großen Energiekonzern heißt es, Projekte für Onshore-Windkraft und Solaranlagen seien attraktiv für Investoren. Doch auch hier will die Bundesregierung die Rahmenbedingungen verändern. Anfang 2026 will das Bundeswirtschaftsministerium eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ins Kabinett bringen.

    Auch hier könnten CfDs eine Rolle spielen: Bei niedrigen Strommarktpreisen könnten die Betreiber von erneuerbaren Energien eine Zuzahlung bekommen. Bei hohen Strommarktpreisen könnte eine Gewinnabschöpfung greifen. Noch aber sind das nur Ideen. Und in Kraft treten soll die Novelle erst Anfang 2027.
  3. Neue Eigentumsverhältnisse bei großen Unternehmen
    Bei mehreren für Deutschlands Energieversorgung wesentlichen Unternehmen stehen Veränderungen an. So steht beim Übertragungsstromnetzbetreiber Tennet ein Staatseinstieg kurz bevor. Im September war bereits beschlossen worden, dass zwei Staatsfonds aus Norwegen und Singapur sowie ein niederländischer Pensionsfonds neues Kapital bei Tennet einbringen und sich an dem Netzbetreiber beteiligen. Nun will auch der Bund mit 25,1 Prozent einsteigen.

    Mitte Dezember haben die Verhandler entscheidende Fortschritte gemacht, wie das Handelsblatt aus informierten Kreisen erfuhr. Finalisiert und verkündet werden soll der Deal demnach, wenn alles läuft wie geplant, im Januar oder Februar 2026.
    Aussteigen will der deutsche Staat dafür stückweise bei den Gashändlern Uniper und Sefe. Laut EU-Vorgabe muss er seine Anteile an beiden Unternehmen bis 2028 auf maximal 25 Prozent reduzieren. Ein erster Schritt könnte 2026 beschlossen werden. Dabei ist bei Uniper ein Börsengang denkbar. Aber auch ein Zusammenschluss von Uniper und Sefe oder ein Einstieg privater Investoren bei den Unternehmen sind in der Diskussion.

    In Summe zeichnet sich ab: Sollte die Bundesregierung ihren Zeitplan einhalten, dürfte 2026 von zahlreichen konkreten Veränderungen in der Energiebranche geprägt werden.

Handelsblatt