Die Preise für Öl und Gas sind 2025 stark gesunken. Die Angebotsaussichten sind gut, die Nachfrage ist durchwachsen. Damit ist unklar, ob sich der Einstieg für Investoren nun lohnt.
Für fossile Brennstoffe war 2025 ein schwaches Jahr: Der Preis der Rohölsorte Brent ging um rund ein Fünftel zurück, und eine Megawattstunde (MWh) in Europa gehandeltes Gas (Amsterdam TTF) kostet derzeit gut ein Drittel weniger als noch zu Jahresbeginn. Sind fossile Brennstoffe also ein Auslaufmodell? Oder könnten die Preise 2026 wieder steigen?
Ein Ausblick.
Öl: Überangebot, aber wie lange?
Noch im Januar kostete ein Barrel (159 Liter) Brent-Öl mehr als 80 US-Dollar, mittlerweile ist der Preis zeitweise unter die 60-Dollar-Marke gerutscht.
Vor allem seit April schwächeln die Ölpreise – einerseits aufgrund des sogenannten Liberation Days, an dem US-Präsident Donald Trump umstrittene US-Zölle verkündete, andererseits, weil das erweiterte Ölkartell Opec plus im April die Förderung überraschend dreimal so stark erhöhte wie ursprünglich geplant. Der Preis der Rohölsorte Brent konnte sich von dieser unerwarteten Kehrtwende nicht mehr erholen, abgesehen von einer Preisspitze im Juni, als Israel Luftangriffe auf den Iran startete.
Spätestens ab der zweiten Jahreshälfte deutete sich ein Überangebot am Ölmarkt an, was die Preise weiter unter Druck setzte. „Das Ölangebot steigt, zugleich wächst die Nachfrage immer langsamer“, sagte Nitesh Shah, Leiter Rohstoff- und Makro-Research beim Vermögensverwalter Wisdomtree.
Der Angebotsüberschuss dürfte sich 2026 ausweiten. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet mit einem Überangebot von 3,8 Millionen Barrel pro Tag, die US-Energiebehörde EIA mit einem Überschuss von gut zwei Millionen Barrel pro Tag. Die Experten der UBS prognostizieren, dass das Angebot die Nachfrage um 1,9 Millionen Barrel pro Tag übersteigen dürfte.
Vor allem Anfang des Jahres soll der Markt im Überschuss sein, da die Nachfrage im ersten Quartal saisonal bedingt niedriger ist. Im Laufe des Jahres soll sich der Überschuss laut den UBS-Analysten aber verringern und 2027 möglicherweise sogar in ein Defizit übergehen. Grund sei unter anderem eine stagnierende Produktion außerhalb der Opec plus.
Denn die niedrigen Preise hätten Auswirkungen auf die Angebotsseite, sagt UBS-Analyst Giovanni Staunovo. Das betreffe vor allem Produzenten, die kein Mitglied der Ölallianz Opec plus seien. „Hier dürfte ab Mitte 2026 die Produktion stagnieren, vor allem in den USA. Dort könnte die Produktion sogar zurückgehen.“
Zwar forderte US-Präsident Trump im Wahlkampf immer wieder verstärkte Bohrungen nach Erdöl und Erdgas. Doch für US-Unternehmen müssen sich neue Bohrungen rentieren. Fällt der Preis unter die Marke von 60 Dollar pro Barrel, lohnt sich eine Förderausweitung für viele US-Schieferölkonzerne nicht mehr. Die Anzahl der DUCs, also der gebohrten, aber noch nicht fertiggestellten Bohrlöcher in den USA, sei derzeit rückläufig, sagt Staunovo: „Das heißt, die Ölproduzenten sind eher pessimistisch für künftige Ölpreise. Ihre Investitionsbereitschaft in neues Angebot beim aktuellen Preis ist eher niedrig.“
Dennoch: 2026 dürfte das Angebot außerhalb der Opec plus um 600.000 Barrel pro Tag wachsen, prognostiziert die UBS. Die globale Nachfrage könnte hingegen um 1,2 Millionen Barrel pro Tag zulegen.
Vor diesem Hintergrund hätte die Opec plus Spielraum, ihre Förderung weiter zu erhöhen. Das Ölkartell hat 2025 seine im November 2023 gekürzte Fördermenge von 2,2 Millionen Barrel pro Tag ein Jahr früher als geplant wieder freigegeben. Danach kündigte die Opec plus an, auch die seit April 2023 gekürzten 1,66 Millionen Barrel schrittweise zurückzubringen.
Im ersten Quartal 2026 will sie ihre Fördermenge allerdings erst einmal stabil halten. Darüber, ob sie die Produktion danach erhöhen wird, sind sich Analysten uneinig – zumal auch die Prognosen für das Angebot außerhalb der Opec plus weit auseinander gehen.
Die IEA sieht etwa ein Wachstum des Nicht-Opec-plus-Angebots von 1,2 Millionen Barrel pro Tag, bei einem Nachfragewachstum von rund 900.000 Barrel. In diesem Szenario würde es auf dem Markt keinen Platz für zusätzliches Opec-Angebot geben.
Rohstoffexperte Shah glaubt dennoch nicht an einen Stopp der geplanten Fördererhöhungen des Ölkartells. Er sieht in der Ausweitung der Förderung einen Strategiewechsel. „Zwischen 2022 und 2024 setzte die Opec plus vor allem auf Kürzungen, dadurch verlor aber Saudi-Arabien Marktanteile an die USA.“ Nun wolle Saudi-Arabien wieder der weltweit größte Produzent werden.
UBS-Analyst Staunovo ist wiederum kein Verfechter der Marktanteil-Theorie. Bei der Opec plus stünden stattdessen andere Themen im Fokus, vor allem die Diskussion um einen neuen Mechanismus, um die maximale Förderkapazität der jeweiligen Mitgliedstaaten zu bewerten.
Mit dem neuen System soll sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten künftig das Volumen fördern dürfen, das sie tatsächlich aufbringen können. Zuvor hatten einige Länder Schwierigkeiten, ihre Förderung zu erhöhen, andere planten wiederum, mehr zu fördern, als ihre Quote zulässt. Das führte zu Konflikten unter den Mitgliedern der Ölallianz.
Mit den schnellen Produktionserhöhungen konnte Saudi-Arabien auch demonstrieren, dass bei vielen Mitgliedstaaten die Kapazitäten effektiv niedriger sind als die zugeteilten Quoten. Sie dürften mehr fördern, machen es aber nicht. Effektiv fördert die Opec plus daher weniger Öl als offiziell angekündigt.
Auch Russland fördert an der Kapazitätsgrenze, wie einige Marktbeobachter anmerken. So auch Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. Eine deutliche Ausweitung des Ölangebots, sollten die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden, sei daher unwahrscheinlich. Geopolitische Entwicklungen sorgen derzeit für die größten Schwankungen am Ölmarkt. So stiegen die Ölpreise im Dezember leicht, nachdem die US-Regierung eine Blockade gegen sanktionierte Tanker aus Venezuela verhängt hatte. Die Exportmengen Venezuelas sind aber vergleichsweise gering: So werden weltweit mehr als 100 Millionen Barrel Öl pro Tag verbraucht, Venezuela exportierte im November knapp 590.000 Barrel täglich.
Gas: Leere Speicher, aber entspannter Markt
Geopolitische Risiken beeinflussen auch den Gasmarkt. 2022 geriet Europa in eine Energiekrise, weil Russland seine Pipeline-Lieferungen drastisch reduzierte, um Europas Unterstützung für die Ukraine zu untergraben. Ab 2027 will die EU nun vollständig unabhängig von russischem Erdgas werden. Darüber hat das EU-Parlament im Dezember abgestimmt. Noch ist Europa von russischen Gaslieferungen abhängig. Daten der Brüsseler Beratungsgesellschaft Bruegel zufolge machte russisches Gas im dritten Quartal rund zehn Prozent aller Gasimporte in die EU aus.
Dass die Stimmung am europäischen Gasmarkt dennoch relativ entspannt ist, liegt auch daran, dass die EU einen Großteil der russischen Lieferungen mit Flüssiggas-Importen, vor allem aus den USA, ersetzen konnte. Seit 2022 sind LNG-Lieferungen nach Europa um fast zwei Drittel gestiegen, schreibt die Preisberichtsagentur Argus Media. Allerdings müsste Europa mit Asien um die verfügbaren LNG-Mengen konkurrieren, daher könnten die Preise stark schwanken.
Gegen solche Angebotsrisiken kann sich die EU eigentlich mithilfe von Gasspeichern absichern. Doch die Speicherstände sind in diesem Jahr niedriger als noch im Vorjahr. Sie lagen laut UBS zum 9. Dezember rund zehn Prozent unter dem Vorjahreswert und dem saisonalen Durchschnitt. Zum Ende des Winters rechnet die UBS mit einem Speicherstand von 29 Prozent – die Voraussetzung dafür sind aber normale Wetterbedingungen und keine ungewöhnlichen Kältewellen.
Dennoch rechnen Analysten für europäisches Gas eher mit schwächelnden Preisen. Die Bank of America sieht für 2026 einen Durchschnittspreis von 27 Euro pro MWh. Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen prognostiziert für Ende 2026 einen Preis in Höhe von 32 US-Dollar pro MWh, da das teurere Flüssiggasangebot aus den USA deutlich ausgeweitet werden dürfte.
Handelsblatt




