WKÖ warnt vor zu starker Belastung durch EU-Klimapolitik

6. Juli 2021, Wien
Eine Mehrbelastung der Industrieunternehmen wird berfürchtet
 - Copenhagen, APA/AFP

Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) bekennt sich auch zu den verschärften Klimaschutzzielen der Europäischen Union, befürchtet aber eine Mehrbelastung für Industrieunternehmen etwa durch die geplante CO2-Grenzabgabe oder ein befürchtetes Ausdünnen der Gratis-CO2-Zertifikate für produzierende Betriebe. Die EU betreibe eine isolierte Politik, sie sollte sich Verbündete suchen, forderte Stephan Schwarzer, der Leiter der WKÖ-Umwelt- und Energiepolitik-Abteilung, am Dienstag.

In jeder Woche würden auf der Welt zwei Kohlekraftwerke neu angeschlossen, „das ist verdammt viel. Wir steigen aus, andere ein“, kritisierte Schwarzer in einem Online-Pressegespräch aus Brüssel. Für die globale CO2-Bilanz sei das trotz der Bemühungen der EU dann nicht einmal ein Nullsummenspiel: „Für das Weltklima ist das wohl noch immer ein Emissions-Aufschwung“.

Europa sei viel zu zurückhaltend gegenüber Schwellen- und Entwicklungsländern, kritisierte Schwarzer. Da vermisse er die europäische Komponente, obwohl Europa als Exporteur von Technologien zu Wind- und Solarenergie, Biomasse und Wasserkraft punkten könne. Diese könnten anstelle von Kohleverstromung treten, die Ländern auf anderen Kontinenten angeboten würden – als Beispiele nannte der WKÖ-Experte Ghana und Mosambik. Eine Milliarde Menschen weltweit habe noch keinen Stromanschluss. Sie sollten ein Angebot für Erneuerbare Energie aus Europa haben und nicht nur für ein Kohlekraftwerk.

An den von der EU geplanten CO2-Aufschlägen für Importgüter, die an die Stelle von CO2-Gratiszertifikaten treten könnten, kritisierte Schwarzer, dass solche Klimazölle nur teilweise vor Carbon Leakage schützen würden, also vor einer drohenden Abwanderung von Produktionen ins Ausland aus Gründen der CO2-Kosten in der EU. „Stahl aus Indien oder Korea hat noch mehr CO2, das weiß die EU.“ Derartige Zölle würden zwar auf dem europäischen Heimmarkt wirken und den europäischen Markt vor Importen schützen, doch würden 30 Prozent der Exporte in Länder außerhalb der EU gehen.

„Vier von zehn unserer Top-Destinationen sind keine EU-Länder“, betonte Schwarzer. Diese Exportmärkte seien unentbehrlich. „Wir konkurrieren mit Ländern, die ein Fünftel, ein Zehntel oder Null CO2-Preis haben – den Preis zahlt uns bei den Produkten niemand am Weltmarkt.“ Auch sei bei den angedachten CO2-Grenzzöllen auf Stahl, Zement, Aluminium, Strom oder Düngemitteln noch unklar, ob sie nur für Vorprodukte oder etwa auch auf fertige Rohre etc. gedacht seien. Details zur CO2-Grenzausgleichssteuer werden von der EU-Kommission Mittwoch kommender Woche (14. Juli) erwartet.

„Die Ideal-Lösung wäre ein globaler CO2-Preis“, so Schwarzer – daher müsse ein Eintreten dafür auf Unionsebene „erste Priorität in der EU-Klimapolitik“ haben. Ziel sollte sein, dass die G7-Staaten samt den USA unter Präsident Joe Biden mit zusammen 37 Prozent Anteil an der Weltwirtschaft einen global gültigen CO2-Mindestpreis vereinbaren und bei dem Thema als Gruppe vorangehen: „Sie könnten ein solches Regime viel leichter ausrollen“ – das könnte andere mitreißen, hofft der Experte. Von den Weltemissionen stammten nur 8 Prozent von der EU, auch die übrigen 92 Prozent sollten auf Dekarbonisierungskurs kommen.

Zu Wasserstoff warf Schwarzer der EU und auch Österreich Säumigkeit vor. Derzeit bestehe der Energiemix der EU zu 71 Prozent aus Fossilenergien. Europa könne nicht auf seinem eigenen Territorium ausreichend erneuerbare Energie als Ersatz aufbringen. Allerdings habe die EU bezüglich Speichern und Transportleitungen „viele Hindernisse aufgebaut, die man hinterfragen muss“. Die EU habe da einen Beitrag zu leisten, es seien an den langen Verfahrensdauern nicht nur die Mitgliedsstaaten schuld.

Wasserstoff (H2) und Biogas sollten gemeinsam mit anderen Wirtschaftsräumen organisiert werden. Die EU sollte rund um den Globus Energiepartnerschaften etablieren, um etwa H2 aus Nordafrika zu bekommen. H2 sollte dort produziert werden, wo es billiger sei – der Transport spiele keine große Rolle. Deutschland habe mit Australien und Chile Abkommen dazu abgeschlossen.

Dem Wasserstoff sollte man aber beim Voranbringen dieses Sektors „nicht einen Rucksack aufbürden, den er nicht tragen kann“, forderte der Wirtschaftskämmerer. Bei den Übergangs-Investitionen sollte man etwas toleranter sein und etwa nicht gleich von Anfang an eine völlige CO2-Freiheit von H2 verlangen. Jeder Investor sollte Chancen haben, man solle nicht vorweg bestimmte Technologien „abdrehen“. „Grünen Strom, grünes Gas, grüne Wärme, das ist der Dreiklang den ich sehe“, so Schwarzer.

APA