Der OMV-Vorstand hat am Mittwoch die 4,1 Mrd. Euro teure Aufstockung beim Borealis-Chemiekonzern von 36 auf 75 Prozent im vergangenen Herbst verteidigt. Borealis stelle den Hauptteil des Segments Chemicals & Materials (C&M) dar, das heuer im ersten Halbjahr die Hälfte zum operativen CCS-EBIT des Öl-, Gas- und Chemieriesen beigesteuert hat. Bezogen auf den Nettogewinn sei es sogar mehr als die Hälfte, weil in Exploration & Produktion (E&P) höhere Steuern und Abgaben anfallen.
Nur beim Free Cashflow fehle noch der volle Beitrag, sagte Finanzvorstand Reinhard Florey vor Journalisten, weil Borealis derzeit hohe Investitionen tätige. „Die Borealis-Übernahme hat die OMV-Schlagkraft verdoppelt“, sagte CEO Rainer Seele im Halbjahrespressegespräch. Der wahre Wert der Borealis kristallisiere sich soeben heraus, betonte Florey, der damit an früher da und dort geäußerte Kritik anknüpfte, wonach der Zukauf zu teuer gewesen sei. „Borealis kann noch viel mehr als alle – inklusive wir selbst – erwartet haben“, so der CFO. Betrachtet werden müssten dabei die Cashflows über Jahrzehnte. Borealis wachse derzeit über eine geografische Diversifizierung, nämlich vor allem Richtung USA und Asien, sagte Seele.
Der geplante Verkauf des Düngemittelgeschäfts von Borealis samt Stickstoff und Melamin, der auch stark die Chemie Linz in OÖ betrifft, soll noch heuer mit einer Unterschrift besiegelt werden, falls es attraktive Angebote gibt, hatte der OMV-Chef Mittwochfrüh schon zur APA gesagt. Derzeit sei der Düngemittelmarkt sehr günstig für einen Verkauf, es gebe reges Interesse, meinte er im Pressegespräch. Die Veräußerung ist seit Monaten geplant, weil man hier keine kritische Größe im Markt hat. Was dies für Linz bedeute, hänge davon ab, wer der Käufer sei. Man stehe dazu „in enger Kooperation mit den Arbeitnehmervertretern“ und habe die „soziale Verantwortung im Kopf“, sagte Seele zur APA.
Zu künftigen strategischen Entscheidungen verwies der Ende August nach sechs Jahren aus dem Unternehmen scheidende OMV-Chef auf seinen Nachfolger Alfred Stern – auch was Achimov IV/V (Urengoy) in Russland oder das Neptun-Projekt von Petrom in Rumänien betrifft. Zum russischen Fördergebiet Achimov IV/V, wo einst eine Beteiligung angedacht war, gebe es eine Option für die OMV, über die der neue Vorstand sicher mit Gazprom diskutieren werde – „da sind glaube ich alle Wege offen“, meinte Seele. Und zum milliardenschweren Gasförderprojekt Neptun geht Seele erst für 2022 von einer möglichen finalen Invest-Entscheidung aus, falls sich Rumäniens Regierung noch heuer zu einem passenden Rechtsrahmen bekenne. Denn ein solches Projekt müsse über 15 oder 20 Jahre gerechnet werden und sich rentieren. Für Petrom wäre das Gas interessant für die weitere Versorgung des eigenen Marktes, weil die eigene Förderung sukzessive zurückgehe.
APA