Der Großhandelspreis hat sich in einem Jahr fast verfünffacht, die Speicher sind auf einem Tiefststand. Dafür gibt es mehrere Gründe, nicht alle davon liegen in Europa
Die österreichischen Gasspeicher sind in Österreich zu nur etwa einem Drittel gefüllt. Gemessen an der Jahreszeit ist das ein historischer Tiefstwert, für gewöhnlich ist der Stand im Juli etwa doppelt so hoch. Auch EU-weit sind die Speicher nur etwa zur Hälfte gefüllt, ebenfalls ein Tiefststand.
Hintergrund sind gestiegene Großhandelspreise. Verglichen mit dem Vorjahr, als die Energiepreise aufgrund der Corona-Pandemie stark fielen, haben sich die Gaspreise laut der Österreichischen Energieagentur (AEA) fast verfünffacht. Dadurch sei nicht nur das Vorkrisenniveau überschritten, das Preisniveau liegt auch deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.
Der rasante Anstieg hat mehrere Gründe. Erstens hat das weltweite Anspringen der Konjunktur zu einer hohen Energienachfrage geführt. Das betrifft auch Öl, Kohle sowie Strom und beschert Energiekonzernen hohe Gewinne (der KURIER berichtete). Auch der hohe CO₂-Preis wirkt sich aus. „Gleichzeitig finden oder fanden bei mehreren Gasleitungen Wartungsarbeiten statt, etwa in Norwegen oder bei den russischen Pipelines Jamal und Nord Stream“, so Lukas Zwieb von der AEA. Dazu kommt, dass die Produktion aus erneuerbaren Energien heuer aufgrund niedrigerer Pegelstände der Flüsse und einer Windflaute in der Nordsee vergleichsweise niedrig war. Es musste also mehr Gas verstromt werden. Auch hat der vergleichsweise kühle Frühling zu einer langen Heizperiode geführt.
Manche Beobachter vermuten, dass Russland Gas absichtlich verknappt, um Druck auf die Fertigstellung der Ostseepipeline Nord Stream 2 aufzubauen. Die vereinbarten Mengen werden jedoch geliefert, die beklagte künstliche Verknappung besteht also nur insofern, als keine zusätzlichen Kapazitäten bereitgestellt werden. Auch wird Flüssiggas (LNG), das Europa vor allem aus dem Nahen Osten, Afrika und Amerika bezieht, heuer vermehrt nach Asien geliefert, weil dort derzeit höhere Preise erzielt werden können. Neben dem hohen Energiebedarf in der Industrie sorgt in Asien eine Hitzewelle zu einem vermehrten Energiebedarf zur Kühlung.
Versorgungssicherheit
Bei den Konsumenten wirkt sich diese Entwicklung nur sehr bedingt aus: Im Jahresvergleich sind die Preise für Haushaltsenergie im Juni um zwölf Prozent gestiegen. Bei Gas gibt es allerdings nur ein Plus von 2,5 Prozent – verglichen mit mehr als zwanzig Prozent bei Benzin und Diesel. Schwankungen bei den Großhandelspreisen schlagen beim Gas aufgrund langfristiger Lieferverträge nicht sofort auf die Konsumentenpreise durch. So seien die Preissenkungen vergangenes Jahr „auch nur bedingt weitergegeben worden“, so Johannes Mayer, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft bei der Regulierungsbehörde E-Control.
Nach Schätzung der AEA könnten die Großhandelspreise zumindest bis zum Ende der nächsten Heizperiode im Frühjahr 2022 hoch bleiben. Auch Mayer rechnet mit einer langfristigen Entspannung der Preise ab dem kommenden Jahr.
Für gewöhnlich werden die Gasspeicher im Sommerhalbjahr aufgefüllt, wenn die Konsumenten weniger abnehmen. Das ist für die Versorger momentan aber unattraktiv. Die Versorgungssicherheit ist dadurch laut AEA jedenfalls nicht gefährdet. Vorschriften zu Mindestfüllmengen gibt es in Österreich, im Gegensatz zu anderen EU-Staaten wie etwa Frankreich, nicht, erklärt Mayer. Allerdings sind die Speicherkapazitäten in Österreich so hoch, dass sie theoretisch einen gesamten Jahresbedarf abdecken können.
Kurier