Darf’s ein bisserl mehr Sonnenenergie sein?

5. August 2021, Wien

Die Politik macht beim Ausbau von Solaranlagen massiv Druck. Doch auf öffentlichen Gebäuden ist Photovoltaik nach wie vor rar.


Photovoltaik, also die Gewinnung von Energie aus Sonnenstrahlen, boomt. Und das ist auch gut so. Denn bis 2030 muss der Strom in Österreich zu 100 Prozent klimaneutral produziert werden. Mit Photovoltaik als einem der Zugpferde. Auf Hunderttausenden Hausdächern und Freiflächen müssen Solarpaneele installiert werden, um dieses Ziel zu erreichen. In einigen Bundesländern sind Solaranlagen bei Neubauten bereits Pflicht. Schließlich haben Gebäude mit 30 Prozent einen hohen Anteil am Gesamtenergiebedarf. Doch wie ernst nehmen es Politik und Verwaltung mit Photovoltaik, wenn es um die eigenen Gebäude geht?


Die Stadt Wien erhebt gerade das Potenzial auf öffentlichen Gebäuden und Flächen. Erste Schätzungen ergaben rund 50 Megawatt-Peak. Dabei handelt es sich um ein spezielles Solarmaß. Mit einem Kilowatt-Peak lassen sich bei optimalen Bedingungen etwa 1000 Kilowattstunden Solarstrom pro Jahr erzeugen. Zur Erklärung: Mit einer Kilowattstunde Strom kann man eine Ladung Wäsche mit 60 Grad waschen oder einen Kuchen backen. Für einen Kilowatt-Peak sind sieben bis zehn Quadratmeter Dachfläche erforderlich. PV-Anlagen gibt es aktuell auf 106 Magistratsgebäuden. Sie haben eine Leistung von drei Megawatt-Peak Solarstrom.


Mehr als 2100 öffentliche Gebäude in Österreich gehören der Bundesimmobiliengesellschaft BIG. Solarenergie wird derzeit auf 84 Gebäuden gewonnen. Gesamtleistung: 3600 Kilowatt-Peak. Auf acht weiteren Gebäuden seien PV-Anlagen gerade in Umsetzung. Geplant ist, 100 Polizeidienststellen mit Solarpaneelen auszustatten. Auch auf den Dächern der Universität für Bodenkultur soll eine Anlage mit 90 Kilowatt-Peak Sonnenenergie installiert werden. „2023 sollen noch viele weitere folgen“, kündigt BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss an.


Seitens der BIG betont man, es sei auf vielen Gebäuden einfach nicht möglich, PV-Anlagen zu installieren. Entweder, weil sie unter Denkmalschutz stehen. Wie zum Beispiel die Kollegienkirche in Salzburg oder der Justizpalast in Wien. Insgesamt fielen 300 Gebäude darunter. Oder weil es sich schlicht nicht rechnet. Wie etwa bei Schulen, die rund drei Monate pro Jahr geschlossen sind.


Denn die Speicherung von Solarstrom ist nach wie vor aufwendig und kostspielig. Stefan Zach, Sprecher des nö. Energieversorgers EVN, erklärt: „Die meisten Dachanlagen sind Überschussanlagen. Das heißt: Alles, was nicht aktuell gebraucht wird, wird ins Netz eingespeist.“ Die EVN zahlt als Einspeisevergütung sechs Cent pro Kilowattstunde. „Viel besser ist es daher, Anlagen so zu konzeptionieren, dass sie eigenverbrauchoptimiert sind. Dann spart man sich drei Mal so viel, nämlich 18 Cent pro Kilowattstunde. Weil keine Netzgebühr und Abgaben anfallen.“ Soll heißen: Solarenergie ergibt dort am meisten Sinn, wo sie unmittelbar nach der Gewinnung verbraucht wird.


Die EVN habe auf fast allen ihrer 80 Biomasseheizwerke und auf ebenso vielen Wasserkraftwerken und mehreren Dutzend Wasserversorgungsanlagen Solarpaneele installiert. Auf den Tausenden Trafostationen im Bundesland sucht man diese allerdings vergeblich. „Die haben eine Dachfläche von fünf Quadratmetern. Das zahlt sich einfach nicht aus.“ Viel hänge auch vom Standort der Liegenschaft ab. Simpel ausgedrückt: zu viel Schatten, zu wenig Energiegewinnung.
Was das Ausreizen des PV-Potenzials auf öffentlichen Gebäuden betrifft, sagt EVN-Sprecher Zach dennoch: „Besser geht’s immer.“ Zu diesem Schluss kam kürzlich auch eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts. Darin heißt es: „Die öffentliche Hand sollte gerade im Bereich der CO2-neutralen Wirtschaft beispielgebend vorangehen.“ Und auch aus Expertenkreisen ist zu vernehmen, dass es noch ausreichend Luft nach oben gebe.


„Der Umstieg auf 100 Prozent erneuerbaren Strom in allen Ministerien und nachgelagerten Dienststellen wird seit 1. Juli umgesetzt“, heißt es aus dem Umweltministerium auf SN-Anfrage. Künftig sei bei Neubauten und Sanierungen von öffentlichen Gebäuden die Errichtung einer Photovoltaikanlage vorgeschrieben. „Und zwar vom Bürogebäude bis zur Bundesschule.“ Auch der Autobahnbetreiber Asfinag werde in den kommenden Jahren auf Raststätten und auf Autobahnmeistereien viele Anlagen errichten.
Von Andreas Tröscher, Wien

Salzburger Nachrichten

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