CO2-Preis verändert Steuersystem

7. Oktober 2021, Zeit Österreich

Mit dem Einstieg in die CO2-Bepreisung setzt die Regierung neue Maßstäbe. „Zu wenig“, sagen Kritiker. Dabei sind die Umweltsteuern fast so hoch wie im Musterland Schweden.

Wien. Tag eins nach der Präsentation der Steuerreform, und schon wieder herrschte am Montag maximale Aufregung. Denn die neue CO2-Steuer soll bekanntlich mithilfe eines Klimabonus finanziell abgefedert werden. 100, 133, 167 oder 200 Euro soll es pro Person im nächsten Jahr geben, je nach Verkehrsanbindung. Städter bekommen weniger als jene auf dem Land, die auf das Auto angewiesen sind. Allerdings ist Wien die einzige Region, in der die niedrigste Stufe gezahlt wird. Dementsprechend empört reagierte die Wiener SPÖ. „Das ist nicht sozial, sondern nur unfair“, wetterte Landesparteisekretärin Barbara Novak. Der Einstieg in die CO2-Bepreisung, mit der die türkis-grüne Regierung neue Maßstäbe setzt, sorgt für innenpolitische Querelen.


Dabei steigt Österreich Mitte 2022 in den CO2-Zertifikatshandel ein und vollzieht damit einen Paradigmenwechsel. Etwa ein Drittel der europäischen Länder hat diesen schon vollzogen. Nun müssen auch heimische Unternehmen Zertifikate vom Staat kaufen. Bis 2025 werden diese unbegrenzt ausgegeben, danach wird die Ausgabe limitiert und mit dem eigentlichen Emissionshandel begonnen.


Für die Steuerzahler wird „umweltschädliches Verhalten“ teurer. Nicht teuer genug, meinen Kritiker. Sie finden den Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne CO2 zu niedrig. Gern wird das Musterland Schweden als Vorbild gepriesen. Dort gibt es seit den 1990er-Jahren eine CO2-Steuer, und der Preis liegt bei 120 Euro. Ist Schweden viermal so streng wie Österreich? „Nein“, sagt Heike Lehner, Expertin der Agenda Austria. Betrachtet man die Umweltsteuern aus dem Jahr 2019, so hob Österreich mit 9,15 Mrd. Euro unwesentlich weniger ein als Schweden (9,53 Mrd. Euro) mit seiner CO2-Steuer. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt waren die Steuereinnahmen auf diesem Gebiet in Österreich sogar höher als in Schweden. Gern wird bei der CO2-Steuerdebatte darauf vergessen, dass Österreich auch jetzt schon eine Reihe von Umweltsteuern einhebt – allen voran die Mineralölsteuer.


Tanktourismus zeigt: Sprit ist zu billig
Claudia Kettner-Marx, Ökonomin des Wifo, vergleicht Österreich lieber mit Deutschland oder Italien. Von dort kommen nämlich viele Tanktouristen zu uns. „Weil die Mineralölsteuer hier vergleichsweise niedrig ist“, sagt sie. Gerade bei den Verkehrsemissionen sei Österreich kein Vorbild, sagt sie.


Einig sind sich die beiden beim Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne CO2. „Dieser Preis ist für mich nicht enttäuschend“, sagt Kettner-Marx. Österreich sei schließlich ein Höchststeuerland und gerade einmal für 0,2 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, meint Lehner.


Auch Herbert Kovar, Experte bei Deloitte Österreich, findet die Kritik an der Bepreisung voreilig. „Das Allerwichtigste ist doch, dass hier Weichen gestellt wurden“, sagt er. Mit der CO2-Bepreisung beginne quasi eine neue Zeitrechnung, ein neues Steuersystem. „Das Wichtigste dabei ist, die Leute emotional mitzunehmen.“ Derartige Veränderungen müssen sehr behutsam vorgenommen werden, wenn man nicht wie in Frankreich Gelbwesten heraufbeschwören will.
Kettner-Marx hätte sich allerdings nach einem sanften Einstieg in die CO2-Bepreisung einen steileren Anstieg erhofft. Österreich hätte Anleihen bei der Schweiz nehmen können. Bei den Eidgenossen kostet die Tonne CO2 88 Euro. In Österreich wird der Preis bis 2025 auf 55 Euro steigen.


Zu hoher Klimabonus auf dem Land?
Zurück zum Klimabonus: Die Staffelung des Klimabonus sorgt auch bei den Expertinnen und Experten für Unverständnis. Wifo-Ökonomin Kettner-Marx plädiert dafür, den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen. Auch gibt sie zu bedenken, dass es gerade für Mieter (in der Stadt) schwierig sei, Einfluss darauf zu nehmen, ob mit Gas oder Fernwärme geheizt wird. Agenda-Austria-Expertin Lehner findet einen einheitlichen Klimabonus zielführender. Der doppelte Klimabonus für die Landbevölkerung sei so attraktiv, dass er möglicherweise keine Lenkungseffekte erziele.

von Gerhard Hofer

Die Presse