Griechenland setzt auf Windenergie

12. Jänner 2022

Athen macht bei der Energiewende Tempo: 2028 soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Für Ersatz wird gesorgt.


Gerd Höhler Athen. Der Fortschritt kommt in Gestalt eines dicken Stromkabels durch das Meer nach Kreta. Die 400 Kilometer lange Leitung wird Griechenlands größte Insel mit Attika auf dem Festland verbinden. In diesem Jahr beginnt die Verlegung. Wenn die 995 Millionen Euro teure Verbindung 2023 steht, können die Dieselkraftwerke auf der Insel endlich stillgelegt werden.


Das Kabel nach Kreta ist Teil eines ambitionierten Plans, alle 110 bewohnten griechischen Inseln ans Elektrizitätsnetz des Festlands anzuschließen. Bisher sind nur 50 küstennahe Inseln über Stromkabel mit dem Festland verbunden.
Das Projekt sieht die Verlegung von Unterseekabeln in einer Gesamtlänge von 5000 Kilometern vor. Der Netzbetreiber IPTO investiert 4,3 Milliarden Euro in das Vorhaben, das bis 2030 umgesetzt werden soll. Nicht nur die Stromversorgung der Inseln wird damit stabilisiert, das ganze Land profitiert. Denn die Vernetzung ermöglicht es, Ökostrom aus Solaranlagen und Windparks der Inselregionen ins nationale Netz einzuspeisen. Dabei setzt die Regierung vor allem auf schwimmende Windturbinen.


Bisher beziehen die 60 nicht vernetzten Inseln ihre Elektrizität aus Dieselgeneratoren, die mit Schweröl betrieben werden – eine der ineffizientesten und umweltschädlichsten Arten der Stromgewinnung. Beispiel Kreta: Durch die Stilllegung der Dieselgeneratoren werden sich die CO2-Emissionen um 60 Prozent verringern. Bis 2024 werden die Kykladeninseln, bis 2027 die Dodekanes-Inselgruppe um Rhodos und bis 2029 die Inseln der nordöstlichen Ägäis wie Lesbos, Limnos, Chios und Samos mit dem Festland vernetzt.


Mit der Stilllegung der Dieselkraftwerke sinken nicht nur die Emissionen. Auch die Kostenersparnis ist enorm: Nach Angaben der Regulierungsbehörde RAE kostet die Produktion einer Megawattstunde Strom auf dem Festland rund 80 Euro. Auf der Insel Antikythira sind es 1297 Euro, auf Agathonisi sogar 2239 Euro. Allein die Anbindung Kretas ans Netz wird nach Berechnungen des Umwelt- und Energieministeriums jährlich 400 Millionen Euro einsparen. Das Kabel amortisiert sich also schon in zweieinhalb Jahren.


Das kommt den Endverbrauchern zugute. Sie subventionieren bisher die Stromtarife auf den Inseln mit einer Gebühr, die auf alle Stromrechnungen in Griechenland umgelegt wird. Energieminister Kostas Skrekas beziffert die Einsparung für die Kunden mit 4,5 Milliarden Euro in den Jahren 2022 bis 2030. Parallel zur Verlegung der Kabel treibt die Regierung den Bau von Wind- und Solaranlagen sowie Energiespeichern auf 20 kleineren Inseln voran.


Bis 2030 will Griechenland den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen von derzeit 30 auf 67 Prozent steigern. Eine Schlüsselrolle ist dabei der Windkraft in der Ägäis und im Ionischen Meer zugedacht. Bis 2030 sollen Offshore-Windturbinen mit einer Leistung von zwei Gigawatt (GW) ans Netz gehen, kündigte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis an. Doch das ist nur der Anfang. Das Offshore-Windpotenzial des Landes ist riesig. Im griechischen Energieministerium beziffert man es auf rund 40 GW. Das wäre rund das Doppelte der gesamten installierten Kraftwerkskapazität des Landes und das Zehnfache der an Land installierten Windanlagen.


Die Nutzung dieses Potenzials ist technisch aufwendig. Wegen der Wassertiefen in der Ägäis müssen überwiegend schwimmende Windanlagen zum Einsatz kommen. Deren Bau ist kompliziert und teuer. Dafür ermöglichen die Anlagen die Stromerzeugung in Seegebieten mit höheren Windgeschwindigkeiten.


In wenigen Wochen will das Energieministerium in Athen einen Gesetzentwurf mit dem regulatorischen Rahmen für Offshore-Windanlagen vorlegen. Die Vergabe erster Konzessionen soll 2023 erfolgen. Das Interesse ausländischer Investoren ist groß. Im Dezember sprachen bereits Delegationen norwegischer Firmen in Athen vor.
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Salzburger Nachrichten