Dass der Umbau des Energiesystems zu erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Solar auch einen massiven Ausbau der Stromnetze und Speicher erfordert, ist in der Energiebranche unumstritten. Wie das angesichts der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz gelingen soll, dafür fehle ihm „total das Zielbild“, sagt der Technik-Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers APG, Gerhard Christiner.
Um festgelegten Klimaziele zu erreichen, müsse man die installierte Erneuerbaren-Kapazität bis 2030 verdoppeln, erklärte der Vorstand der Austrian Power Grid (APG) am Donnerstag bei der Diskussionsveranstaltung „windrichtungen“ der IG Windkraft. „Das heißt, ich muss in Wirklichkeit als APG – und den Verteilern geht’s ähnlich – ich muss meine gesamte Netzinfrastruktur angreifen.“ Es genüge nicht, Erzeugungsanlagen ans Netz anzuschließen, sondern den mit Windkraft und Photovoltaik erzeugten Strom über Österreich zu verteilen und zu den Kunden zu bekommen.
„Mir fehlt, und das muss ich ganz offen sagen, total das Zielbild, wie schaut das dann für Österreich wirklich aus? Wie reden wir dann von Versorgungssicherheit, wie ist denn die Sicherheit wirklich gewährleistet?“ Es würden neue 380-kV-Leitungen gebraucht, und die Menschen müssten dann davon überzeugt werden, eine solche Stromleitung „zu ertragen, obwohl sie vielleicht in der Region, sagen wir irgendwo zwischen Donawitz und dem Weinviertel, diese Menschen keinen Mehrwert für sich sehen“. Über die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz werde aber nicht offen gesprochen.
„Wir erzählen den Leuten nicht die ehrliche Geschichte, wie ein Energiesystem 2030, 2040 wirklich österreichweit und im weitesten Sinne europäische funktionieren kann“, sagte Christiner. Mit dem EAG sei zumindest ein guter Rahmen geschaffen worden, „aber jetzt brauchen wir auch einen Regulator, der auch uns Netzbetreiber unterstützt. Weil, wenn man uns jetzt abverlangt, hier Gas zu geben und auf der anderen Seite nicht die entsprechenden Mittel gibt, dann werden unsere Eigentümer sagen: Na, so sicher nicht. Das wird sicher noch eine spannende Diskussion.“ Die APG ist eine 100-Prozent-Tochter der Verbund AG.
Wenn man die Erneuerbaren wie geplant ausbaue, werde man schon 2030 „im Sommer massiveste Überschüsse haben, teilweise das Doppelte des Verbrauchs. Aber ich habe keine Idee, wo stehen dann die Speicher?“ Die Pumpspeicher würden relativ schnell voll sein. Wie Strommarkt, Sicherheit und Integration der Erneuerbaren gemeinsam einhergehen, da fehle ihm noch das Bild, wie das in Österreich sicher funktionieren könne, sagte der APG-Vorstand.
Um 2040 insgesamt klimaneutral zu sein, werde man den Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Wasserkraft mehr als verdreifachen müssen, sagte der Geschäftsführer der Energienetze Steiermark, Franz Strempfl.
Das Energiesystem werde sich nicht nur auf der Erzeugungsseite ändern, sondern auch auf der Verbrauchsseite. „Eine Million Elektroautos erwarten wir im Jahr 2030, im Jahr 2040 werden es noch mehr sein. Auch in den Wärmesystemen findet eine Elektrifizierung statt, Stichwort Wärmepumpen. Auch das wird die Netze gravierend beeinflussen.“ Bis 2030 werde man allein in die Verteilernetze rund 15 Mrd. Euro investieren müssen, mit dem Übertragungsnetz mehr als 18 Mrd. Euro. „Bis 2040, wollen wir das Ziel erreichen, wird es noch einmal so viel sein.“
„Ohne Netzausbau findet diese Energiewende nicht statt und wir gefährden sogar das hohe Maß an Versorgungssicherheit, das wir schon haben“, so Strempfl. Es gebe schon gute Pläne für den notwendigen Ausbau der Verteilnetze, aber ein Problem seien die Genehmigungsverfahren, „die sich in die Länge ziehen können“.
Das Netz müsse im Gleichklang mit dem Produktionsausbau und dem Verbrauch ausgebaut werden, sagte auch Markus Winter, Technik-Vorstand der Windkraft Simonsfeld. „Jetzt warten wir in Niederösterreich bis zu zehn Jahre auf das Netz für unsere genehmigten Windparks.“
Die Windkraft-Erzeuger sehen die Erneuerbaren nicht als Teil des Problems der Versorgungssicherheit, sondern als Lösung. „Bereits jetzt ist es schon so, dass die Technik, die derzeit in Windrädern installiert ist, im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit weit mehr leisten könnte“, sagte Eckard Quitmann, Grid Integration Engineer beim deutschen Windrad-Hersteller Enercon. „Windkraftwerke könnten z.B. seit über 10 Jahren etwas ähnliches wie Schwungmasse beisteuern. In Europa will das aber derzeit keiner haben. Wenn Windräder weitere netzstützende Leistungen erbringen sollen, dann muss klar definiert werden, welche das sein sollen.“ Für Markus Winter „muss klar sein, dass jede netzdienliche Leistung, die wir für die Netzbetreiber übernehmen finanziell abgegolten werden muss“.
APA