Das stärkere EU-Klimaziel bis 2030 – eine CO2-Reduktion um 55 statt bisher um 40 Prozent gegenüber 1990 – stößt aus unterschiedlichen Gründen auf Kritik. „Das -55-Prozent-Netto-Ziel ist leider weiterhin unscharf und mit Absicht schwammig“, so Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei am Freitag in einer Aussendung. Für FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky ist das Ziel dagegen „völlig unrealistisch“.
Zufrieden zeigte sich dagegen Alexander Bernhuber, Umweltsprecher der ÖVP im Europaparlament:“55 Prozent ist ein guter Kompromiss. Alles darüber hinaus wäre gänzlich unrealistisch, denn wir dürfen nicht die Wirtschaft oder die Industrie abwürgen. Der Weg zur Klimaneutralität kann auch nicht alleine bestritten werden, der Schutz des Klimas muss ein globales Ziel sein.“
„Am kleinlichen Feilschen und dem Einbau von Schlupflöchern sieht man, wie wenig ernst die Klimakrise von manchen Mitgliedsstaaten noch immer genommen wird“, so Waitz. Aufforstung von abgeholzten Wäldern oder technische CO2-Senken könnten als Einsparungen dazugerechnet werden. Ohne Treibhausgasreduktionsbudget pro Land und klaren Sanktionen bei Nichterreichung der Ziele, „werden wir nicht ausreichend ins Handeln kommen“. Das Europaparlament fordere weiter ein Reduktionsziel von minus 60 Prozent ohne Schlupflöcher und individuelle Zielpfade zur Klimaneutralität bis 2050 für jedes Mitgliedsland.
„Mit der nun beschlossenen Reduktion der Treibhausgase um 55 Prozent bis 2030 hat sich die EU ein Ziel aufgehalst, das gravierende Auswirkungen auf Europas Bürger haben wird“, kritisierte Vilimsky in einer Aussendung. „Seit 1990 wurden in der EU in knapp drei Jahrzehnten etwas mehr als 20 Prozent eingespart. Jetzt soll in zehn Jahren dieser Wert plötzlich halbiert werden. Das ist völlig unrealistisch.“
Es gebe daher nur zwei Möglichkeiten, so Vilimsky. „Entweder es kommt zu extrem drastischen Maßnahmen mit gravierenden Folgen für Wirtschaft und Bürger. Oder das EU-Klimaziel geht den Weg der Maastricht-Kriterien: Es ist zwar irgendwo festgeschrieben, wird aber ohnehin nicht eingehalten.“ Die EU sei für den Ausstoß von nur neun Prozent des weltweiten CO2 verantwortlich. „Selbst wenn man das Ziel erreichen könnte, wäre dies weltweit kaum messbar.“ Der FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch kritisierte: „Europa schafft sich selbst ab und rollt so den Teppich für weitere Belastungen und Verbote aus.“
Die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon betonte, man dürfe nicht vergessen, dass die Wissenschaft 65 Prozent Reduktion verlange, um die Erderwärmung im Zaum halten zu können. Das Europäische Parlament habe es immerhin geschafft, eine Mehrheit hinter einem 60-Prozent-Ziel zu vereinen. „Die Mitgliedstaaten müssen endlich auch die Zeichen der Zeit erkennen.“
Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) begrüßte den Gipfelbeschluss. VCÖ-Expertin Ulla Rasmussen betonte in einer Aussendung: „Der Zielsetzung müssen nun rasch konkrete Klimaschutz-Maßnahmen folgen.“ Auf den Verkehrssektor in Österreich umgelegt, bedeute das eine Reduktion der Emissionen auf höchstens 6,2 Millionen Tonnen. Im Vorjahr verursachte der Verkehr demnach 24,2 Millionen Tonnen CO2, also fast vier Mal so viel. Wichtig sei es, die ökosoziale Steuerreform vorzuziehen. „Wird CO2 und Umweltverschmutzung endlich bepreist, dann können die Steuern auf Arbeit reduziert werden, was die Schaffung neuer Arbeitsplätze unterstützt“, so Rasmussen.
APA