Der norddeutsche Energiekonzern EWE will in den kommenden Jahren mit dem Ausbau seines Windenergiegeschäfts an Land sein Wachstum vorantreiben. „Es gibt einen Bedarf an grüner Stromerzeugung, der durch den Ausstieg aus der Kernenergie und aus der Kohleverstromung forciert wird“, sagte Vorstandschef Stefan Dohler in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview.
Eine Schlüsselrolle spiele dabei das geplante Gemeinschaftsunternehmen mit dem Eigentümer des Windenergieanlagenhersteller Enercon. „Wir haben gemeinsam eine Ausbau-Pipeline von mehr als 9.000 Megawatt.“
EWE mit Sitz in Oldenburg hatte vor wenigen Wochen das Bündnis mit der Aloys Wobben Stiftung unterzeichnet, die 100 Prozent an dem Auricher Unternehmen hält. „Die Enercon hat ein breites Vertriebsnetzwerk, einen sehr guten Zugang zu Flächen und einen sehr guten Zugang zu sehr vielen Betreibern von Windanlagen“, betont Dohler. „Wir haben eine starke Asset Management- und Vermarktungskompetenz. Das passt sehr gut zusammen.“ Die Partner wollen bis 2030 vier Milliarden Euro in den Ausbau des Geschäfts investieren. Ein Großteil der Summe komme aus dem Cash-Flow. „Wir werden wahrscheinlich einen großen Teil der Erträge in den Ausbau investieren, also die Ausschüttungen moderat halten.“
EWE gehört mit mehr als 8.000 Beschäftigten und einen Umsatz von knapp sechs Milliarden Euro zu den größten Energieversorgern Deutschlands. Dohler – gelernter Seemann und früherer Finanzchef des schwedischen Energieriesen Vattenfall – führt seit Anfang 2018 das Unternehmen. Der französische Finanzinvestor Ardian hält 26 Prozent an EWE.
Im Windenergiegeschäft preschen neben deutschen Energiekonzernen wie RWE und EnBW inzwischen auch Ölriesen wie Royal Dutch Shell und BP mit milliardenschweren Ausbauplänen vor. Der Markt droht bereits heiß zu laufen. Das kapitalintensive Geschäft mit Windanlagen auf See überlässt EWE anderen. „Wir haben Offshore komplett ausgeschlossen. Es ist ein reines Onshore Joint Venture.“ Für die Partner seien auch großflächige Photovoltaik-Projekte eine Option.
Der allergrößte Teil der Pipeline sei in Deutschland, sagt der Manager. Hinzu komme ein großes Potenzial in Frankreich. Daneben habe man auch Skandinavien, die Benelux-Länder und Polen im Visier. Für einzelne Projekte könne das Joint Venture Partner ins Boot holen, berichtet Dohler.
Ein Börsengang für das Joint Venture sei kein Thema. „Wir wollen eigenen Wert schaffen als Joint Venture. Wir wollen dieses Potenzial selber heben.“ EWE wolle sich auf das Gemeinschaftsunternehmen konzentrieren und habe daher derzeit auch keine Zukäufe im Blick.
Mit Schwierigkeiten bei der Genehmigung durch die Wettbewerbshüter rechnet Dohler nicht. EWE erwarte die Freigabe durch die Kartellbehörden in zwei, drei Monaten. „Wir sind zwar mit dem Portfolio, das wir haben, der größte Onshore-Windkraft-Bertreiber in Deutschland. Aber wir haben lediglich 2.300 Megawatt – das ist ein Marktanteil von unter fünf Prozent. Da sollte es keine größeren Probleme geben.“
APA/ag