E-Wirtschaft verteidigt bestehendes Preisbildungsmodell

11. Mai 2022, Wien

Das bestehende Marktmodell zur Strompreisbildung, bei dem Kraftwerke, die Strom zu günstigen Grenzkosten produzieren, den Vorrang haben, ist aus Sicht der E-Wirtschaft das beste. Es habe sich jahrelang bewährt und funktioniere seit der Strommarktliberalisierung vor über 20 Jahren gut. Allein die Haushaltskunden hätten sich seither 13 Mrd. Euro erspart, sagte Oesterreichs-Energie-Generalsekretärin Barbara Schmidt am Dienstag zur APA.

Das System biete Anreize für Investitionen in den Ausbau von Erneuerbaren Energien und sorge auch dafür, dass genug Strom vorhanden sei, verteidigte Schmidt die Merit Order zur Strompreisbildung, bei dem das jeweils letzte – in der Regel teuerste – (Gas-)Kraftwerk das Preisniveau bestimmt. Zuletzt hatte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer eine vorübergehende Änderung dieses Prinzip verlangt. Eine Abkehr davon wäre ohne europäisches Einvernehmen gar nicht möglich, argumentierte Schmidt. Auch die Vereinigung der europäischen Energieregulatoren (Acer), die durchaus an niedrigen Preisen für die Kunden interessiert sei, habe erst vorige Woche erklärt, dass das bestehende Modell das beste sei, auch wenn es nicht für Krisenzeiten konzipiert worden sei, so die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie.

Dass das Marktmodell seit Herbst vorigen Jahres nun erstmals nicht die gewünschten Resultate liefere, sei nicht ein schlechtes Marktdesign, sondern eine Reihe externer Einflüsse und Schocks geschuldet wie etwa Engpässen auf dem Gasmarkt, dem Ukraine-Krieg, gestörten Lieferketten und davor einem starken Wirtschaftswachstum in der Zeit nach der Coronakrise, argumentiert man bei Oesterreichs Energie. „Wenn diese Schocks überwunden sind, wird der Strommarkt voraussichtlich von selbst zurück ins Gleichgewicht finden“, sagt der Interessenverband.

Kurzfristige oder schlecht konzipierte Notfallmaßnahmen könnten zu Marktverzerrungen führen, die sich mittelfristig negativ auf die Preise oder die Versorgungssicherheit auswirken, wird gewarnt. Zudem könnten falsche Investitionssignale gesetzt und der Umbau des Energiesystems verlangsamt werden, heißt es bei Oesterreichs Energie. Zudem müssten Eingriffe in das Marktmodell, um Wirkung entfalten zu können, ohnedies europaweit erfolgen; kurzfristig sei die Umsetzung von Maßnahmen so großer Tragweite aber unrealistisch.

Energie-Experte Walter Boltz hatte am Dienstag argumentiert, dass ein Abgehen von der sogenannten Merit Order bezüglich der Strompreisbildung nicht viel ändern würde. Falls man stattdessen etwa ein Pool-Modell anwende, würde es preislich „nicht um so viel besser“, so Boltz im ORF-Radio. Für Haushaltskunden würde es „nicht billiger, weil die zahlen ja auch jetzt schon nicht den tatsächlichen Großhandelspreis, sondern den Durchschnitt der letzten zweieinhalb Jahre und der ist deutlich niedriger“, meinte Boltz.

Johannes Mayer, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Regulierungsbehörde E-Control, bezeichnete die Diskussion, warum bei uns Strom so teuer sei, wo wir doch so viel Wasserkraft haben, am Dienstag im Radio als „ein Missverständnis“: „Wir haben viel Wasser, wir brauchen aber gleichzeitig die Gaskraftwerke, um die heimische Stromversorgung sicherstellen zu können. Und zweitens ist es auch so, dass unsere Kraftwerke in Österreich, wie alle anderen Kraftwerke in der EU auch, für Europa produzieren.“

Arbeiterkammer-Energieexperte Josef Thoman hatte im APA-Gespräch dafür plädiert, dass der österreichische Staat durch eine Gaspreis-Deckelung für Kraftwerke – nach dem Muster von Spanien und Portugal – die hohen Strompreise nach unten bringen sollte. Die Preisdifferenz müsste den Kraftwerksbetreibern ersetzt werden. Gelinge es beispielsweise, den Gaspreis für einen bestimmten Kraftwerkseinsatz von 100 Euro pro Megawattstunde (MWh) auf 40 Euro je MWh zu senken, so würde der Strompreis von 250 Euro auf unter 100 Euro pro MWh sinken, rechnete Thoman vor. Bei Oesterreichs Energie sieht man das Modell Spaniens als Reaktion darauf, dass es in dem Land zwar zu 50 bis 60 Prozent einen regulierten Tarif gebe, aber einen, der sofort auf die Spotmärkte reagiere; offenbar sehe man da jetzt angesichts der hohen Strompreise einen Gegensteuerungsbedarf.

Die Wirtschaftskammer wies in einer Stellungnahme am Dienstagabend erneut darauf hin, dass für Änderungen bei der Strompreisbildung europäische Regelungen notwendig seien. „Eine temporäre Änderung des Merit-Order-Prinzips ist eine mögliche Maßnahme, die rasch eine Entlastung für die Betriebe bringen könnte. Haushaltskunden würden davon natürlich indirekt profitieren, weil man die Inflationsspirale verlangsamen würde“, hieß es von der WKÖ zur APA. Die genaue Ausgestaltung müsse „offen diskutiert werden“.

APA

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