Die Digitalisierung macht auch vor unseren Stromnetzen nicht Halt. Angesichts immer komplexerer Strukturen von Energiesystemen könne die Versorgungssicherheit in Zukunft nur gewährleistet werden, wenn Stromnetze intelligenter, digitaler und flexibler werden, erklärte Netz-Niederösterreich-Chef Werner Hengst am Donnerstag. Voraussetzung für ein funktionierendes digitales Netz sei die Erhebung von großen Datenmengen in guter Qualität.
„Energiesysteme haben sich verändert“, sagte Hengst bei einer Veranstaltung des Forum Versorgungssicherheit. Stromsysteme seien komplexer als früher: Statt in großen Erzeugungsanlagen wird Strom heute immer häufiger dezentral produziert, etwa mit Windrädern. Photovoltaik-Anlagen auf privaten Dächern würden die Grenzen zwischen Verbraucher und Erzeuger verwischen, „Consumer“ würden zu „Prosumern“. Dadurch entstünden ganz neue Lastenflüsse. Zusätzlich steige der Stromverbrauch, beispielsweise durch E-Autos und Wärmepumpen und natürliche Schwankungen in der Stromproduktion bei Alternativen Energieträgern wie Wind und Sonne müssten ausgeglichen werden.
Um unter diesen Bedingungen die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und Stromnetze effizienter zu machen, sei es notwendig, Energiesysteme digital zu überwachen und den Verbrauch intelligent zu steuern, so Hengst. Dazu seien große Datenmengen in hoher Qualität notwendig: „Wir sind weltweit dabei, zusätzliche Daten von unseren Netzen zu erheben. Wir brauchen diese Daten in hoher Quantität, guter Qualität und guter Verfügbarkeit“, sagte Hengst. Die Basis hierfür sei der Intelligente Stromzähler (Smart Meter), der in den letzten Jahren flächendeckend in Österreich eingeführt wurde. Das im Hintergrund operierende System heißt „EDA“ (Energiewirtschaftlicher Datenaustausch) und soll eine effiziente und sichere Datenübertragung gewährleisten.
In diesem Zusammenhang forderte Hengst auch dynamische Netztarife: Schonende Netznutzung solle dabei mit einem günstigeren Tarif belohnt werden, „und wenn jemand sein E-Auto mit hoher Leistung laden will, dann soll er auch dafür bezahlen“, so der Netz-Niederösterreich-Chef. Dadurch würden Anreize für netzschonenden Verbrauch gesetzt und der weitere Ausbau der Netze wäre erst später notwendig.
Die Interessensvertretung der Photovoltaik- und Speicherindustrie PV Austria beklagte unterdessen am Donnerstag in einer Aussendung, dass der Ausbau des Stromnetzes zu langsam vorangehe: „Das Stromnetz wird zum Flaschenhals der Energiewende.“ Derzeit sei es nicht einfach, nachzuvollziehen, ob sich die Anschaffung einer PV-Anlage überhaupt auszahlt. De Verband forderte eine Modernisierung des Strommarktgesetzes, in dem Transparenz über den Zustand des Stromnetzes, ein öffentlich zugänglicher Ausbauplan und ein klar geregelter Netzzutritt verankert werden.
APA