Perspektiven. Biogas ist die grüne, regionale und gleichwertige Alternative zu Erdgas – und ganzjährig verfügbar
Als Anfang der 1980er-Jahre die ersten Bauern begannen, zur Energiegewinnung mit Gülle zu experimentieren, wurden sie als Spinner belächelt. Dass es einmal profitabel sein könnte, mit Gülle Wärme und Strom zu erzeugen, war damals unvorstellbar. Auch wenn der Prozess noch längst nicht so an Fahrt aufgenommen hat, wie es wünschenswert wäre, hat sich inzwischen doch einiges verändert. Angesichts der aktuellen Krisensituation zwischen Russland und der Ukraine und der damit verbundenen Unsicherheit muss nun nach alternativen Lösungen gesucht werden, die zu mehr Unabhängigkeit in der Energieversorgung führen. Schließlich deckt Österreich ein Fünftel seines Gasbedarfs aus Gas, rund 80 Prozent davon kommt aus Russland. Der jährliche heimische Energiebedarf liegt derzeit bei rund acht Milliarden Kubikmetern. Eine der möglichen Alternativen zu russischem Erdgas ist Biogas.
Was ist Biogas?
Aufbereitetes Biogas verfügt über die gleichen Eigenschaften wie Erdgas, ist jedoch eine zu 100 Prozent erneuerbare Energie. Für die Biogasproduktion werden vor allem landwirtschaftliche und kommunale Abfälle oder Reststoffe, Stallmist genauso wie Stroh oder abgerebelte Maiskolben, Bio- und Grünschnittabfälle u. v. m. verwendet. Diese werden in Österreichs Biogasanlagen zu Grünem Gas vergoren. Auch Abfälle aus Großküchen und Industrien können so genutzt werden. Spätestens nach 60 Tagen ist der Vergärprozess abgeschlossen. Nach der Reinigung wird aus dem Biogas in dafür geeigneten Anlagen Biomethan. Dieses kann in das Erdgasnetz eingespeist werden und steht damit für die Energieversorgung mit erneuerbarer Energie zur Verfügung. Eingesetzt werden kann es in allen gängigen Gasgeräten 1:1 zum Heizen, in der Industrie, als Treibstoff in der Mobilität oder zur Energieerzeugung. Zudem lässt es sich in den großen österreichischen Gasspeichern problemlos speichern und steht immer zur Verfügung, wenn es gebraucht wird. Somit kann dieser effiziente Energieträger mit einem Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent in Form von Biomethan weiterhin z. B. in Gasbrennwertgeräten eingesetzt werden.
Biomethan – Made in Austria
Wie die klimaneutrale Gasversorgung „Made in Austria“ funktionieren kann, zeigt die größte Biogasanlage in Margarethen am Moos. „Seit März 2019 läuft unsere Biogasaufbereitungsanlage auf Hochtouren“, sagt Stefan Malaschofsky, geschäftsführender Gesellschafter der EVM, Energieversorgung Margarethen am Moos GmbH. Aktuell verarbeitet die Anlage rund 1.100 Normkubikmeter Rohbiogas pro Stunde. „Bereits an die 200 Biogasanlagen dieser Größe würden ausreichen, um alle Gashaushalte zu 100 Prozent mit klimaneutralem Biomethan zu versorgen“, betont Malaschofsky. Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass die gesamte Biogasmenge in Form von aufbereitetem Biomethan ins öffentliche Gasnetz eingespeist würde. Dies ist die energetisch effizientere Form der Biogasnutzung. Aktuell werden nur 6,5 Prozent der derzeitigen Biogaserzeugung ins Gasnetz eingespeist, der Rest wird an Ort und Stelle in Strom und Wärme umgewandelt. Die dabei erreichte energetische Nutzung (Wirkungsgrad) ist jedoch geringer als bei der direkten Einspeisung von Biomethan ins öffentliche Gasnetz. Durch die zunehmende Beimischung von erneuerbarem Gas ins Gasnetz wird die Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert und durch die Nutzung der gesamten bestehenden Gasinfrastruktur die Energiewende leistbar gemacht. Die entsprechenden Anreize, wie gezielte Förderungen und stabile Rahmenbedingungen, um die Technologie auszubauen fehlen allerdings derzeit noch. „Zunächst sollte jetzt aber das riesige heimische Biogaspotenzial gehoben werden. Das schafft Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Inland und vereint zudem Versorgungssicherheit und Klimaschutz“, betont Michael Mock, Geschäftsführer FGW (Fachverband Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen) und ÖVGW (Österreichische Vereinigung des Gas- und Wasserfachs). Voraussetzung für den Biogasausbau ist ein gesetzlicher Rahmen in Form eines Grün-Gas-Gesetzes, das vergleichbar dem Ökostromgesetz ausgestaltet werden sollte und den Investoren und Betreibern Planungssicherheit gibt.
Wie Erdgas, nur besser
Biomethan funktioniert wie Erdgas und ist zu 100 Prozent erneuerbar. „Unser Biomethan ist chemisch völlig ident mit Erdgas. Das bedeutet: Sämtliche Gasendgeräte können damit einwandfrei betrieben werden – vom Heizkessel zu Hause, über das CNG-Fahrzeug, bis hin zur Industrieanlage“, sagt EVM-Betriebsleiter Michael Jungbauer. In Österreichs größter Biogasanlage ist Bio-Mist drinnen, denn hier werden nur agrarische Reststoffe wie Zwischenfrüchte, Maisstroh, Festmist oder Gemüsereste, aber keine Lebensmittel vergoren. „Zu uns kommt der Abfall, der nicht in den Handel geht. Wir nehmen nur reine Produkte und kein Fleisch“, betont Malaschofsky. Aktuell tanken in Margarethen am Moos bereits mehrere CNG-Lkws den nachhaltigen Kraftstoff Biomethan – das Treibstoff-Geschäft hat großes Potenzial: „Biomethan kann in der Mobilität am besten eingesetzt werden. Wir sind billiger als Diesel“, sagt Malaschofsky. Jährlich könnten 3.328.800 Liter Diesel mit grünem Kraftstoff aus Margareten am Moos ersetzt werden.
Heizungswechsel nicht nötig
Gerade jetzt denken viele Menschen darüber nach, ob sie von ihrer Gasheizung zu einer erneuerbaren Heizform wechseln sollen. Und vielfach ist ihnen nicht bewusst, dass es eine grüne, regionale, gleichwertige und dabei erneuerbare Alternative zu Erdgas gibt: Biogas. Etliche Gasversorger bieten bereits das zu Biomethan veredelte Gas an. Es gibt dabei aber noch einen weiteren, für die meisten Menschen wichtigen Unterschied zwischen Biomethan und Erdgas – den Preis. Biomethan war in der Vergangenheit immer teurer als Erdgas. Durch die Ausweitung des Angebotes – sei es auf Grund inländischer Produktionssteigerung oder auch weil Erzeuger im Ausland in den Biomethanmarkt einbezogen werden –, sollten die Preisunterschiede zwischen Biomethan und Erdgas geringer werden. Ein erzwungener Heizsystemwechsel ist laut Experten unrealistisch und stellt obendrein einen sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff ins Eigentumsrecht dar. Johannes Wild, Berufsgruppensprecher der Immobilienverwalter in der Wirtschaftskammer Österreich: „Es ist klimafeindlich, unwirtschaftlich und reine Geldvernichtung, eine Million funktionsfähige Gasheizungen herauszureißen.“ Nach seinen Berechnungen kostet das Ersetzen einer Gasheizung durch eine Niedrigtemperaturheizung rund 1.250 Euro je Quadratmeter. Bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung bedeute das Kosten von rund 75.000 Euro. Hochgerechnet auf eine Million Haushalte sind das 75 Milliarden Euro. Das wäre laut Wild „weder Vermietern noch Mietern zumutbar und finanzierbar“. Und offensichtlich auch gar nicht notwendig, da jede Gasheizung mit Biomethan klimaneutral betrieben werden kann.
Kurier