Gerhard Roiss, das zweite Gespräch: Der ehemalige Generaldirektor der OMV plädiert dafür, dem Verbund-Konzern einen staatlichen Gasversorgungsauftrag zu geben und die OMV gleich vollständig zu privatisieren. Die Erlöse sollen die Universitäten bekommen. Und was wurde eigentlich aus dem Schiefergasfund in Niederösterreich?
profil: Herr Roiss, wir haben Anfang März ein Gespräch zur verfehlten Russland-Gasstrategie der OMV geführt. Das Interview sorgte für ziemlichen Wirbel. Hat Sie das überrascht?
Roiss: Durchaus. Ich habe weder mit der Breite noch mit dem Inhalt der Reaktionen gerechnet. Ich wollte mir etwas von der Seele reden, das mich sehr lange beschäftigt hat. Aber offenbar hat das Thema nicht nur mich bewegt.
profil: Fürs Protokoll: Der Unternehmer und frühere ÖIAG-Aufsichtsrat Siegfried Wolf hat Sie und profil damals in einer ersten Reaktion mit rechtlichen Schritten bedroht. Wir haben seither nichts mehr gehört. Sie?
Roiss: Nichts.
profil: OMV-Aufsichtsratschef Mark Garrett nannte die Investitionen in Russland nach 2015 jüngst einen Fehler, der nicht schönzureden sei. Ihrem Nachfolger an der OMV-Spitze Rainer Seele wurde bei der Hauptversammlung nachträglich und mehrheitlich die Entlastung für das Geschäftsjahr 2021 verweigert. Das hat es in der Geschichte der OMV so auch noch nicht gegeben.
Roiss: Es gibt für alles ein erstes Mal.
profil: Wir haben heute offenbar zwei Probleme in Österreich: die Abhängigkeit von russischem Gas und die Abhängigkeit von Gas an sich.
Roiss: Ersteres habe ich ja schon im Interview im März erläutert. Zur Abhängigkeit von Gas an sich müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass wir einen Gaskonsum von 8,5 Milliarden Kubikmetern im Jahr nicht von heute auf morgen durch Windräder ersetzen können. Und das meine ich wirklich nicht zynisch. Gas ist noch auf Jahre gesehen alternativlos. Selbst wenn die Haushalte, das Gewerbe und die Industrie ihren Verbrauch reduzieren, werden wir weiterhin davon abhängig sein. Fehlt das Gas, kann die Düngemittelindustrie keinen Dünger mehr erzeugen, können die Bauern nicht mehr wie gewohnt ernten, können viele Bäcker kein Brot mehr backen und und und. Diese hohe Abhängigkeit von Russland und vom Gas an sich schafft Herausforderungen, die auch die Bundesregierung nicht vertagen kann. Wir haben beim Gas längst ein Verteilungsproblem, das der Markt nicht lösen kann. Was es braucht, ist zunächst einmal Transparenz. Wir stehen vor zentralen Fragen: Welche Gasmengen kann die OMV kurzfristig aus ihren eigenen norwegischen Feldern an die österreichischen Konsumenten liefern? Ab wann werden die benötigten Pipeline-Kapazitäten gebucht? Welche Flüssiggas-Kapazitäten im OMV-Terminal in Rotterdam sind für den österreichischen Markt reserviert? Und vor allem: Welcher Lageraufbau ist im Sommer geplant? Es geht also um Transparenz bei Zielmengen und Zeiträumen.
Profil