Deutsche Regierung will bei polnischen AKW-Plänen mitreden

27. Jänner 2021, Hannover
Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth
 - Montreal, APA/AFP

Die deutsche Bundesregierung will dafür sorgen, dass Deutschland bei den geplanten Atomkraftneubauten in Polen mitreden kann. „Nach intensiver Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium haben wir dem dafür zuständigen Espoo-Komitee fristgerecht am 12. Jänner mitgeteilt, dass wir eine Betroffenheit Deutschlands von den polnischen Energieplänen nicht ausschließen können“, sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Mittwoch.

Die Espoo-Konvention ist ein Instrument zur Beteiligung betroffener Staaten und deren Öffentlichkeit an Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung in anderen Staaten. Dabei geht es um Vorhaben, die erhebliche grenzüberschreitenden Auswirkungen haben können.

Die Bundesregierung werde die nationalstaatliche Hoheit Polens über seine Energie- und Umweltpolitik respektieren und nur dort Beratungsbedarf anmelden, wo Deutschland sich betroffen sieht, versicherte Flasbarth. Der geplante Einstieg in die Atomkraft gehört jedoch dazu: „Die Frage, wie sich der Bau neuer AKW auf Deutschland auswirkt, ist für uns dabei sehr relevant.“ Das Umweltministerium wolle Einsicht in alle Details des Projektes zu bekommen, etwa in die geplanten Reaktortypen und Sicherheitsvorkehrungen.

Polen plant derzeit den Bau von ein bis zwei Atomkraftwerken an der Ostsee, etwa 50 Kilometer nördlich von Danzig, die bis Mitte der 2030er Jahre in Betrieb gehen sollen. Beim Espoo-Büro in Genf, das für die zwischenstaatliche Abstimmung über Umweltauswirkungen in Grenzregionen zuständig ist, hatte die polnische Regierung dem Zeitungsbericht zufolge angegeben, ihre AKW-Pläne hätten keine Auswirkungen auf die Nachbarstaaten. Das schätzt das deutsche Umweltministerium anders ein, wie es den Zeitungen zufolge dem Espoo-Sekretariat nun offiziell mitteilte.

Die Zeitungen berichteten zudem über ein Gutachten von fünf Umwelt- und Nuklearexperten im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion. Demnach wären in drei Viertel der möglichen Wetterbedingungen die Nachbarstaaten stärker von radioaktiver Strahlung nach einem Atomunglück betroffen als Polen selbst.

Deutschland sei in einem Fünftel der Simulationen betroffen, also mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent. Im schlimmsten Fall müssten bis zu 1,8 Millionen Menschen in Deutschland für ein Jahr aus ihren Wohnorten evakuiert werden, wenn es am geplanten Standort in Polen zu einem Unfall der höchsten Kategorie kommen würde, heißt es demnach in dem Gutachten.

APA/ag