Der Öl- und Gaskonzern OMV hat im ersten Quartal 2021 zwar vom gestiegenen Ölpreis profitiert, noch wichtiger sei aber das boomende Chemiegeschäft gewesen, betont OMV-Chef Rainer Seele. „Der Ertragssprung ist auf die vorteilhafte Akquisition der Borealis zurückzuführen“ sagte Seele am Donnerstag zur APA. Der um Lagereffekte bereinigte Betriebsgewinn (CCS EBIT) stieg um 24 Prozent auf 870 Mio. Euro. „Mehr als die Hälfte davon, 440 Mio. Euro, kommt aus dem Chemiegeschäft.“
Dass der inzwischen vollkonsolidierte Chemiekonzern Borealis einen wesentlichen Ergebnisbeitrag geleistet habe, betont Seele vor allem im Hinblick auf die massive Kritik, wonach die OMV für die Aufstockung ihrer Borealis-Beteiligung von 36 auf 75 Prozent um 3,8 Mrd. Euro einen deutlich überhöhten Kaufpreis bezahlt habe. „Ich glaube, dass gerade das erste Quartal deutlich zeigt, dass die Borealis deutlich mehr wert ist, als wir selbst im letzten Jahr geglaubt haben.“
Das erste Quartal sei für die OMV insgesamt sehr gut gelaufen, berichtete der CEO. Als organischen Cashflow habe man 1,7 Mrd. Euro erzielen können. „Das ist in einem Jahr, in dem wir uns der Entschuldung gewidmet haben, ein willkommener Beitrag.“ Mit dem Verkauf der OMV-Tochter GasConnect, der deutschen Tankstellen und der Öl-Assets in Kasachstan komme man nun auf ein Gearing (Verschuldungsgrad) von 32 Prozent, das sei schon ganz nahe am langfristigen Ziel von 30 Prozent.
„Das ist die Bestätigung, dass die OMV ihre Dividendenversprechen einhält.“ Der Gewinn pro Aktie stieg auf 2 Euro, vor einem Jahr stand hier noch ein Verlust von 49 Cent. Das CCS Ergebnis je Aktie vor Sondereffekten (um Lagerhaltungseffekte bereinigt) stieg von 0,97 Euro auf 1,30 Euro. Das operative Konzernergebnis legte im Jahresabstand von 81 Mio. Euro auf 1,16 Mrd. Euro zu. Das Periodenergebnis drehte von minus 68 Mio. auf 835 Mio. Euro in die Gewinnzone.
„Wir liegen mit unseren Zahlen deutlich über den Schätzungen der Analysten. Die Aktienmärkte werden sicher positiv auf diese erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung reagieren.“ Der Kurs der OMV-Aktie legte bis 9.30 Uhr um 3,69 Prozent auf 43,54 Euro zu.
Für das laufende zweite Quartal ist Seele zuversichtlich. „Wir sehen jetzt schon, dass sich das Geschäft weiter erfreulich entwickelt, dass wir eine stabile Produktion in Libyen haben und die Produktion auch im zweiten Quartal deutlich über dem Vorjahr liegt.“ Im ersten Quartal hat die OMV so viel Öl und Gas gefördert wie zuletzt im Jahr 2019. Die tägliche Produktion kletterte im Schnitt auf 495.000 Barrel Öl-Äquivalent (boe), nach 472.000 Fass täglich im Vorquartal und ebenfalls durchschnittlich 472.000 boe/Tag Anfang 2020.
„Ein kleiner Wermutstropfen“ sei im ersten Quartal die Raffineriemarge gewesen, die nur bei 1,7 US-Dollar pro Barrel lag. „Das war genau das Niveau, das wir auch im vierten Quartal letzten Jahres gesehen haben, aber vor einem Jahr war das Margenniveau dreimal so hoch, das war bei knapp fünf Dollar.“ Es werde kein Topjahr für die Raffinerien werden, aber die Margen sollten sich im Laufe des Jahres erholen. „Jetzt beginnt vor allem in den USA die Driving Season, wir erwarten deshalb eine gute Benzin-Nachfrage.“ Auch die Nachfrage nach Nafta, das in der Chemieindustrie gebraucht wird, nehme zu. Im zweiten Halbjahr sei darüber hinaus mit einer Zunahme der Reisetätigkeit zu rechnen.
Die OMV sei ein Frühindikator für die Erholung der Wirtschaft insgesamt, erklärte Seele, „weil wir in den Energie- und Chemiemärkten tätig sind“.
Auf die Gründe für seinen angekündigten Rückzug von der OMV-Spitze in einem Jahr – er will seinen Vertrag nicht verlängern – wollte Seele nicht im Detail eingehen. „Ich habe diese Entscheidung aus privaten, persönlichen Gründen getroffen, weil ich mehr Zeit mit der Familie verbringen möchte.“
APA