Wasserstoff auf Linie

25. August 2021

Quelle: Wiener Zeitung, 24.08.2021 (S. 9)

Immer mehr Städte setzen auf Brennstoffzellen-Busse. Das polnische Unternehmen Solaris gilt als Vorreiter.

Der Verkehr muss grüner werden. Er verursacht in Österreich ein Drittel aller CO₂ -Emissionen. Im Individualverkehr macht vermutlich das Elektroauto das Rennen. Die Zahl der Neuzulassungen steigt stetig, obgleich der E-Auto-Anteil noch relativ klein ist. Die türkis-grüne Regierung forciert außerdem den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel. Züge fahren hierzulande zum Großteil bereits elektrisch, auch Straßen- und U-Bahnen sind elektrifiziert. Viel Nachholbedarf gibt es allerdings bei Bussen. Sie werden zum Großteil noch mit Diesel betankt. Ganze Flotten müssen also auf alternative Antriebe umgerüstet werden.

Busse können wie Autos mit einer Batterie ausgestattet und an einer Ladesäule geladen werden. Oder man betreibt sie wie die Stadt Salzburg als Oberleitungsbus. Die zwölf Obusse der Stadt fahren emissionsfrei, der Strom stammt zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie, also aus Solar-, Wind- oder Wasserkraft. Letztere benötigt man auch für Wasserstoff-Busse – zumindest, wenn sie umweltfreundlich betrieben werden sollen. Denn mit dem grünen Strom kann aus Wasser mittels Elektrolyse sogenannter grüner Wasserstoff gewonnen werden. Mit dem Gas lässt sich eine Brennstoffzelle betreiben. Es entsteht elektrischer Strom, der den Bus antreibt.

Eine große Hürde für den Umstieg ist die fehlende Infrastruktur, um Busse mit dem farblosen Gas betanken zu können. Wasserstoff-Tankstellen sind derzeit noch rar gesät: In Europa gibt es gerade mal 200, Österreich hat fünf.

Öffi-Verkehr wird grüner

Dennoch gibt es großes Interesse. Die Stadt Wien hat im vergangenen Jahr einen Wasserstoff-Bus getestet. Das Fazit fiel positiv aus. Die Wiener Linien kündigten an, bis 2023 zehn solcher Busse anzuschaffen. Die Pläne werden langsam konkreter: Die Ausschreibung sei derzeit in Vorbereitung, heißt es. Auch Elektrobusse sollen angeschafft werden: „Dazu werden 62 Normalbusse mit reinem Elektroantrieb ausgeschrieben“, teilt ein Sprecher mit. Wels macht es Wien nach und testet derzeit einen Wasserstoff-Bus im täglichen Linienverkehr.

Zahlreiche andere europäische Städte sind schon einen großen Schritt weiter. Riga wird seine Busflotte mit zehn O-Bussen mit Brennstoffzelle erweitern, der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr schafft 25 Wasserstoff-Busse an, in Bozen können die Menschen bald in einen von zwölf Brennstoffzellen-Bussen umsteigen und in Frankfurt am Main sollen 2022 insgesamt 13 solcher Busse die Linienführung aufnehmen.

Den Auftrag gesichert hat sich in allen genannten Städten das polnische Unternehmen Solaris, eine Tochter des spanischen Schienenfahrzeugherstellers CAF. Solaris ist laut eigenen Angaben der marktführende Hersteller und Zulieferer von Elektro- und Trolleybussen in Europa. 56 Prozent seines Absatzes bestreitet Solaris noch mit Diesel- und Erdgas-betriebenen Bussen. Doch der Anteil an alternativen Antrieben wächst kontinuierlich. Seit 2019 gehört auch ein Wasserstoff-Bus zum Portfolio. „Wasserstoff wird in den nächsten zehn Jahren der Treibstoff der Zukunft werden“, sagt Anna Mejer, General Managerin von Solaris Österreich, im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“.

Die Nachfrage nach den Brennstoffzellen-Bussen sei groß. „Wir haben aktuell fast 100 Aufträge, die teilweise schon realisiert wurden“, sagt Mejer. 2022 soll ein Gelenkbus auf den Markt kommen. Das Unternehmen produziert die Busse im polnischen Posen. Zehn Monate dauert die Fertigung eines Busses. Vom Standort Salzburg aus betreut Solaris 400 Fahrzeuge in Österreich. Das Unternehmen bedient Kunden aus 32 Ländern, außerhalb der EU etwa auch Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Warum aber Wasserstoff? Busse mit Brennstoffzellen-Antrieb haben wesentliche Vorteile. Sie stoßen weder CO₂ noch schädliche Stickoxide aus, es entsteht außerdem kein Feinstaub. Zudem sind sie geräuschärmer als Dieselbusse. Wasserstoff-Busse können in wenigen Minuten betankt werden und haben eine vergleichsweise hohe Reichweite. Der Solaris Urbino hydrogen hat eine Reichweite von 400 Kilometer, abhängig von den Fahrbedingungen. Knackpunkt ist der Preis. Ein Dieselbus kostet rund 250.000 Euro. Brennstoffzellenbusse kosten rund zweieinhalbmal so viel. „Bis der Preis für Brennstoffzellen-Busse das Niveau von Dieselbussen erreicht hat, wird es noch ein paar Jahre dauern“, sagt Mejer. „Die Antriebstechnik ist sehr teuer.“

Solaris machte im vergangenen Jahr 725 Millionen Euro Umsatz – eine Steigerung um 13,6 Prozent. 2020 verkaufte das Unternehmen 1560 Fahrzeuge.

Laut Prognosen von Solaris werden in den kommenden Jahren immer mehr Busse mit alternativen Antrieben zugelassen. Der Anteil von Wasserstoff-Bussen wird von derzeit 2,1 Prozent auf 12,5 Prozent bis 2030 steigen. Elektrobus-Zulassungen werden sich sogar verdoppeln und 2030 fast die Hälfte aller Zulassungen ausmachen. Mejer sieht aber keine Konkurrenz zwischen Batterie und Brennstoffzelle: „Wir sind der Überzeugung, dass beide Fahrzeugmodelle ihre Existenz finden.“

Brennstoffzellen-Bus von Solaris: Das polnische Unternehmen hat schon rund 100 Aufträge für sein emissionsloses Fahrzeug. Foto: Solaris

Wiener Zeitung

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