Was die EU mit dem Klimazoll vorhat

3. September 2021

Quelle: Wiener Zeitung, 31.08.2021 (S. 7)

Unternehmen, die energieintensive Produkte in die EU importieren wollen, sollen künftig einen CO₂ -Aufschlag zahlen.

Die Treibhausgas-Emissionen dürfen sich nur noch in eine Richtung entwickeln: nach unten. Die EU will im Rahmen des Green Deal die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren. Im Zuge der verschärften Klimaziele soll auch eine Art Klimazoll eingeführt werden: Für energieintensive Produkte aus dem Ausland soll ab 2026 ein CO₂ -Aufschlag beim Import in die EU fällig werden. Mit dem sogenannten CO₂ -Grenzausgleich will die EU fairen Wettbewerb sicherstellen und verhindern, dass Unternehmen in Länder mit laxeren Klimastandards abwandern. Doch wie funktioniert der Mechanismus, welche Unternehmen betrifft er und wie groß ist die Gefahr von Gegenzöllen?

Warum fordert die EU eine CO₂ -Abgabe an ihrer Grenze?

Wer CO₂ in die Luft bläst, soll entsprechend dafür bezahlen. Die EU strafft deshalb die Zügel in der Klimapolitik. Allerdings steht sie vor dem Problem, dass Unternehmen ins Ausland abwandern könnten. Sie könnten dort produzieren, wo Energie günstig ist und sie weniger oder gar keine CO₂ -Abgaben zahlen müssen. Die Unternehmen sparen sich dadurch Kosten. Jedoch könnte es dadurch zu einer Verlagerung der CO₂ -Emissionen kommen. Die Gesamtemissionen könnten steigen. Fachleute sprechen von „carbon leakage“. Um das zu verhindern, erhalten etwa energieintensive Branchen seit einigen Jahren eine bestimmte Anzahl von Gratis-Emissionsrechten im EU-Emissionshandel. Der CO₂ -Grenzausgleich soll nun faire Wettbewerbsbedingungen und eine Balance des CO₂ -Preises zwischen einheimischen Produkten und Importen sicherstellen.

Wie funktioniert das CO₂ -Ausgleichssystem der EU?

Die EU will künftig für Produkte, die in ihren Herkunftsländern keiner CO₂ -Bepreisung unterliegen, an der Grenze des Binnenmarktes eine Art Klimazoll erheben. Will ein chinesisches Unternehmen beispielsweise Stahlträger in die EU importieren, wird berechnet, wie viel CO₂ -Emissionen bei der Produktion in China entstanden sind. Für jede Tonne Kohlenstoff wird ein Zoll fällig, die der Steuer entspricht, die ein Produzent für die gleiche Produktion in Europa hätte bezahlen müssen. Der Preis pro Tonne CO₂ orientiert sich am EU-Emissionshandel. Er umfasst derzeit rund 40 Prozent aller EU-Emissionen. Aktuell kostet eine Tonne CO₂ 50 bis 55 Euro.

Wie wirkt sich die CO₂ – Abgabe auf Exporte aus?

Den CO₂ -Grenzausgleich müssen nur Unternehmen zahlen, die ihre Waren in die EU importieren. Energieintensive Branchen, die ihre Waren exportieren, haben derzeit noch einen Vorteil: Sie bekommen in der EU Gratis-CO₂ -Zertifikate. Der Anteil kostenloser Zertifikate wird allerdings schrittweise gesenkt. Wenn EU-Unternehmen dann einen CO₂ -Preis für ihre Produktion zahlen müssen und etwa in die USA exportieren, haben sie dort einen Wettbewerbsnachteil. Denn dort gibt es keinen CO₂ -Preis, US-Firmen können günstiger herstellen. „Die EU kann den Unternehmen den CO₂ -Preis beim Export nicht erstatten, weil das WTO-Recht keine ungleiche Behandlung erlaubt“, sagt Sonja Peterson, Klimaökonomin am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Für welche Produkte wird ein Klimazoll fällig?

Der CO₂ -Grenzausgleich soll in einem ersten Schritt für besonders energieintensive Sektoren gelten: Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Strom. Im Übergangszeitraum von 2023 bis 2025 will die EU-Kommission den Grenzausgleich evaluieren. Danach soll entschieden werden, ob der Mechanismus auf weitere Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet wird.

Wie soll der ökologische Fußabdruck eines Produkts gemessen werden?

Direkte Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe lassen sich relativ einfach bestimmen, CO₂ -Fußabdrücke hingegen nicht. Dennoch sind diese für die Wettbewerbsfähigkeit wichtig. Nachweise für jedes einzelne Produkt sind aber aufwendig – zumal eine unabhängige Stelle die Angaben verifizieren müsste. Deshalb orientiert sich die EU an Durchschnittswerten. „Die Emissionen entlang gesamter Wertschöpfungsketten zu erfassen, ist sehr viel schwieriger“, sagt Peterson.

Die USA orten Protektionismus. Wie groß ist die Gefahr von Gegenzöllen?

China lehnt den EU-Vorschlag ab, die USA werfen der EU Protektionismus vor. Wenn die EU einen europäischen Klimazoll einführt, droht die Gefahr von Vergeltungsmaßnahmen. Als der frühere US-Präsident Donald Trump 2018 Strafzölle auf chinesische Produkte erließ, reagierte China umgehend mit eigenen Importzöllen auf US-Produkte. Der Handelsstreit wirkt bis heute nach. „Wenn man den CO₂ -Grenzausgleich umsetzt, muss dies in enger Abstimmung mit der Welthandelsorganisation geschehen“, sagt Harald Oberhofer, stellvertretender Institutsvorstand des Instituts für Internationale Wirtschaft an der WU Wien.

IfW-Präsident Gabriel Felbermayr brachte einen „Klimaclub“ ins Spiel. Wäre das die bessere Lösung?

Die Klimaerwärmung ist ein globales Problem, das nach globalen Lösungen verlangt. Statt einem unilateralen Vorschlag wie jenem der EU könnte man das Konzept auch breiter anlegen. Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, brachte einen „Klimaclub“ ins Spiel. Die Idee dahinter ist, dass sich möglichst viele Länder auf die gleichen, strengen Klimastandards einigen und ihren gemeinsamen Handel durch einen Klimazoll schützen. Andere Länder, die nicht mitmachen, wären gezwungen, selbst die Standards zu erhöhen. In der Praxis gibt es jedoch einige Hürden. „Die USA sind sehr zögerlich, Preissysteme für CO₂ einzuführen. Sie setzen eher auf Subventionen“, sagt Ökonomin Peterson. China hingegen hat zwar ein Emissionssystem eingeführt. Es erfasst allerdings nur wenige Sektoren und die Preise sind deutlich geringer als in Europa.

Welche Einnahmen erwartet sich die EU vom Grenzausgleich ?

Wie viel Einnahmen die EU mit generiert hängt von vielen Faktoren, wie etwa der Höhe des CO₂ -Preises, den einbezogenen Sektoren etc. ab. Die EU rechnet mit Einnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. 2026 sollen sie auf 2,1 Milliarden Euro steigen. Das Wifo kommt in einer Simulation für 2030 auf bis zu 46 Milliarden Euro. „Allerdings hätte der CO₂ -Grenzausgleich eine sehr breite Abdeckung und würde auch indirekte Emissionen miteinbeziehen“, sagt Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller.

Stahlproduktion in China. Foto: getty images / Frankhuang

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