Die Crux mit der Ökosteuer, die nicht wehtun soll

24. September 2021, Wien

Reform. Firmen sollen mehr für CO2 und weniger für Löhne an den Staat abliefern. Das bringt überraschende Verlierer.

Die Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern ÖVP und Grüne über die geplante Öko-Steuerreform sind in der Endphase. Wirklich klar ist bisher aber lediglich, dass der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) teurer wird und Unternehmen und Private dafür an anderer Stelle entschädigt werden sollen. Lang bevor der „Ökosteuer-Bär“ erlegt ist, sprechen Wirtschaftsvertreter schon mit Vorliebe darüber, wie sein Fell am besten verteilt werden könnte. Ihrem Wunsch, die Körperschaftssteuer, wie im Koalitionspakt festgeschrieben, zu reduzieren, hat der grüne Vizekanzler, Werner Kogler, kürzlich eine Abfuhr erteilt. Die Regierung arbeite stattdessen an einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten. Auch die ÖVP kann niedrigeren Abgaben für Unternehmen etwas abgewinnen und verspricht eine Entlastung der Betriebe. Doch ganz so einfach ist das nicht, zeigt eine bisher unveröffentlichte Studie des IHS. Eine Senkung der Lohnnebenkosten als Kompensation für höhere Ökosteuern könnte manchen Branchen mehr schaden als nützen.

In ihrem realistischsten Szenario gehen die IHS-Ökonomen davon aus, dass die Unternehmen zusätzlich zu bestehenden Energiesteuern für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxid rund 60 Euro an CO2-Steuern bezahlen müssten. Das entspricht etwa dem Preis, der aktuell auch im europäischen Emissionshandel dafür zu bezahlen ist, bzw. dem Zielpreis der CO2-Besteuerung in Deutschland. In Summe würden jene heimischen Betriebe, die nicht bereits Teil des EU-weiten CO2-Handels sind, damit im Jahr 668 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen für den heimischen Fiskus generieren. Geld, das der Finanzminister freilich nicht behalten, sondern umgehend an die Unternehmen refundieren will, wie die Regierung mehrfach betont hat. Was passiert aber, wenn die Koalition dieses Geld tatsächlich in die Hand nimmt, um damit etwa die Beiträge der Betriebe zum Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) zu reduzieren? Die Leistungen würden nicht gekürzt, versichert Türkis-Grün – immerhin fließe dann das Geld aus den Ökosteuern in den Flaf, um dessen jährliche Einnahmen bei 5,4 Milliarden Euro stabil zu halten. Doch in der Wirtschaft wären Gewinner und Verlierer sehr ungleich verteilt.

Frächter und Landwirte verlieren

Größte Verlierer wären mit einem jährlichen Minus von 93 bis 139 Millionen Euro die Frächter beziehungsweise die Landwirte, weil dort die Flaf-Senkung die Kosten durch die CO2-Bepreisung nicht kompensieren könnte, so die IHS-Berechnungen (siehe Grafik). Auch die produzierenden Unternehmen und die Baubranche würden schlechter aussteigen als vor der Reform. „Die hohe Nettobelastung bei Bergbau und Warenproduktion könnte zumindest kurzfristig negative Folgen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Österreichs haben“, warnen die Autoren. Die großen Gewinner sind die Dienstleister – allen voran die staatlichen Dienstleister aus dem Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich. Sie erhielten durch die Reform ein jährliches Plus von 115 bis 141 Millionen Euro.

Die Ergebnisse sind doppelt pikant: Erstens, weil mit der Landwirtschaft und dem produzierenden Gewerbe zwei klassische Wählergruppen der ÖVP besonders benachteiligt würden. Und zweitens, weil diese Erkenntnis just eine Studie liefert, die im Auftrag der Arbeiterkammer erstellt worden ist.

Widerstand von beiden Seiten ist daher wahrscheinlich – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven: Die SPÖ-nahe Arbeiterkammer lehnt jede Senkung der Lohnnebenkosten ab, weil sie dadurch eine schleichende finanzielle Aushöhlung des Sozialstaats befürchtet. Im ersten Schritt würden die Ausfälle zwar durch die Ökosteuern kompensiert, aber sollen diese auch einen Lenkungseffekt haben, müssten die Einnahmen spätestens bis 2040 gegen null sinken. „Ich zweifle daran, dass die Beiträge der Unternehmen zum Flaf dann wieder erhöht werden“, sagt Dominik Bernhofer, Steuerexperte der AK, zur „Presse“. Stattdessen müsste der Staat dann Mittel aus dem laufenden Budget zuschießen – oder eben doch die Kürzung von Leistungen wie dem Zuschuss an die Sozialversicherungen für die Kinderbetreuungszeiten diskutieren.

Förderung statt Abgabensenkung

Die Arbeiterkammer schlägt ein gänzlich anderes Modell vor und stützt sich dabei auf frühere Erhebungen von IHS und Wifo, wonach die Haushalte den Großteil der bestehenden und künftigen Ökosteuern tragen. Es sei davon auszugehen, dass die Unternehmen zumindest einen Teil der Kosten einer CO2-Bepreisung auf Endkonsumenten im Inland abwälzen könnten, so Bernhofer. Er plädiert daher dafür, auch nur einen Teil der 668 Millionen Euro direkt an die Unternehmen zurückzugeben und den Rest an die Bevölkerung zu verteilen. Die Rückerstattung an die Wirtschaft solle nicht über die „Gießkanne Lohnnebenkosten“ erfolgen, sondern über branchenbezogene Töpfe zur Förderung von Öko-Investments in den Betrieben. „Das wäre budgetär leicht zu kontrollieren – und treffsicher.“

Die Presse