Wenn der Wald Autos rettet

5. Oktober 2021

Autokonzerne überbieten sich mit Projekten zur CO2-Kompensation, um Fahrzeuge klimaneutral zu verkaufen. Aber nicht alle Projekte halten, was sie versprechen.


Es klingt einfach zu verlockend: Das neue Elektroauto, das Sie heute kaufen, kommt CO2-neutral auf die Straße – so das Versprechen. Der CO2-Rucksack aus der Batterieproduktion? Kompensiert. Die negative CO2-Bilanz aus der Produktion in der Fabrik? Kompensiert. Die CO2-Ausstöße der Lieferketten? Kompensiert.


Die Grundlage für diesen „CO2-Ausgleich“ stammt aus dem Jahr 2005. Um den Treibhausgasausstoß der EU zu senken, wurde das sogenannte Emissionshandelssystem (EU-ETS) eingerichtet. Es sieht vor, dass bestimmte Unternehmen für den Ausstoß von Kohlendioxid, Lachgas und perfluorierten Kohlenwasserstoffen Verschmutzungszertifikate brauchen, die sie entweder ersteigern müssen oder kostenlos zugeteilt bekommen.


Übersetzt heißt das: Ein Autokonzern lässt zum Beispiel von einem darauf spezialisierten anderen Unternehmen einen riesigen Wald an einem entlegenen Platz dieser Welt pflanzen – Beispiele gibt es genug.


Dieser neue Wald entzieht der Atmosphäre dann – zum Beispiel – Millionen Tonnen CO2, diesen Wert kann man berechnen. Im Gegenzug erhalten die Autokonzerne dann sogenannte CO2-Zertifikate, die ihren CO2-Ausstoß kompensieren, also ausgleichen. In der Folge kann mit diesem Ausgleich ein neues E-Auto als klimaneutral und CO2-neutral bezeichnet werden. Obwohl die Batterieproduktion, die Autoproduktion und die globalen Lieferketten nach wie vor eine negative CO2-Bilanz aufweisen.


Alles gut, oder? Mitnichten. Es gibt nämlich auch Projekte, die sich zumindest hinterfragenswert oder als Luftnummer erweisen. Außerdem sind diese für Konsumenten nicht immer lückenlos nachvollziehbar.


Die CO2-Rechnung geht ja erst dann auf, wenn das Projekt hält. Aber weltweit ist der Zertifikatshandel zu einem Milliardengeschäft geworden, das immer unübersichtlicher wird. Einige Autokonzerne mussten Projekte zum CO2-Ausgleich sogar stoppen. Weil von den darauf spezialisierten Unternehmen Umwelt-Vorgaben nicht erfüllt oder die Versprechungen nicht eingehalten wurden.


Einen ganz anderen, nachprüfbaren Weg hat zuletzt Fiat eingeschlagen: Mit dem größten Dachgarten Europas auf den Dächern der alten Fabrik Lingotto in Turin. Eine kleine, grüne Lunge, in einem ehemaligen Industriebetrieb. 40.000 Pflanzen, ein Park auf dem Dach mit 28 großen Inseln, die 7000 der insgesamt 27000 Quadratmeter einnehmen. 300 Pflanzenarten sind eingesetzt, mit lokalem Bezug. Und dieser riesige Dachgarten kann mit der CO2-Bilanz aus der Autoproduktion gegengerechnet werden – und das Projekt ist vor der Haustür, also kontrollierbar.

Kleine Zeitung

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