Zeitlose Hochspannung im Netzausbau

5. Oktober 2021

Strom wird meist nicht dort erzeugt, wo er verbraucht wird. Für die lange Leitung braucht es einen langen Atem. Das gilt nicht für die Vergangenheit. Ohne Netz keine Energiewende.


Der Bau von Kraftwerken weckt seit jeher Emotionen. Das spiegelt sich auch in der Geschichte der Energie Steiermark wider. Der Frage, wie sich die erzeugte Energiemenge dann verteilen lässt, mag von außen betrachtet eine weniger spektakuläre Note zukommen – sie war, ist und bleibt aber essenziell. Bevor im Jahr 1921 die Steweag als Vorgängergesellschaft der Energie Steiermark gegründet wurde, präsentierten sich die Leitungsnetze und die dazugehörige Infrastruktur regional stark fragmentiert. Hinzu kamen vielerorts die Zerstörungen durch den Ersten Weltkrieg. Ein zentraler Gründungsgedanke der Steweag war daher auch die Schaffung eines einheitlichen Fernleitungs- und Verbundnetzes, wie der Historiker Stefan Karner in seiner Publikation „Im Strom der Zeit.
100 Jahre Energie der Steiermark“ ausführt.


Bereits im April 1918, drei Jahre vor der Steweag-Gründung, der Krieg war noch nicht zu Ende, verfasste Richard Hofbauer im Namen des „Vorbereitenden Konsortiums der Industriellen“ eine programmatische Schrift. Darin erklärte er, dass neben dem Ausbau „unserer alpenländischen Wasserkräfte auch ein einheitliches elektrisches Fernleitungsnetz“ nötig sei, „um den Wiederaufbau nach dem Krieg in Industrie und Landwirtschaft zu ermöglichen“.


Hofbauer, Leiter des Landesbauamts, wurde schließlich der erste Steweag-Direktor. Sein Plan: das Land in fünf Stromversorgungskreise einzuteilen und neue erzeugerabhängige 60- und 100-kV-Leitungsnetze zu errichten. Friktionsfrei war der Leitungsbau in den ersten Jahren nicht – und ist es, aus anderen Gründen, bis heute nicht.
Dennoch erfolgte bereits 1922 ein echter Meilenstein in Österreichs Energiegeschichte. „Im Juni 1922 hatte das Parlament in Wien für die projektierten Fernleitungen das Elektrizitätswege-Gesetz beschlossen“, so Karner. Damit wurde das Elektrizitätsrecht Bundessache und die Elektrizitätswirtschaft und der Bau von Hochspannungsleitungen erhielten den Status des „öffentlichen Interesses“. Was damals ebenfalls verankert wurde: Leitungen können – gegen Entschädigung – mit behördlicher Genehmigung „auch gegen den Willen von Grundeigentümern errichtet und betrieben werden“.


Tatsächlich in der Stromübertragung tätig werden musste die Steweag erst ab 1924, um den in ihren Werken (zunächst in Arnstein – das Kraftwerk ging Ende März 1925 in Betrieb) erzeugten Strom zu den Verbrauchsgebieten, vor allem im Raum Graz und in der Mur-Mürz-Furche an dortige Verteilnetzbetreiber und an Industriebetriebe zu leiten. „An eine eigene Verteilung des Stroms an Letztverbraucher wurde noch nicht gedacht. Dies erfolgte erst in den 1930er-Jahren, als man bestehende Verteilernetze (im Raum Köflach-Voitsberg und in der Oststeiermark) übernahm und bald auch begann, eigene Verteilernetze zu bauen“, wie Karner erläutert.

Der Bau der Kraftwerke Arnstein sowie der ersten Murkraftwerke in Pernegg und Lauftnitzdorf machte diese Übertragungsleitungen erforderlich, um den erzeugten Strom zu den Verbraucherzentren zu bringen. Den Beginn machte eine 60-kV-Leitung von Arnstein nach Graz-Süd, danach die gleich starke Leitung von Graz-Süd über das Umspannwerk Graz-Nord nach Pernegg, wobei man diese Leitung auch im Grazer Stadtgebiet als Freileitung mit Gittermasten entlang des rechten Murufers führte. Eine von Pernegg in die obersteirischen und niederösterreichischen Industriegebiete errichtete Leitung hatte allerdings bereits eine Spannung von 110 kV.


Dass sich die Gebiete der Energieerzeugung nicht unbedingt mit jenen decken, wo die großen Verbraucher angesiedelt sind, also die Industriehochburgen der Mur-Mürz-Furche sowie die Landeshauptstadt Graz, ist ein Befund, der bis heute gilt. Umso mehr, als die Energiewende die dezentrale Erzeugung – Stichwort Windkraft, Stichwort Photovoltaik, Stichwort Elektrospeicher – stark vorantreibt und damit auch die Herausforderung in puncto Stabilität und Sicherheit bei der Energieverteilung noch einmal erhöht hat.

Ein Beispiel wird von den Energienetzen Steiermark, die 2014 durch die Zusammenführung der Stromnetz Steiermark GmbH und der Gasnetz Steiermark GmbH entstanden ist, gerne bemüht, um die Situation zu verdeutlichen: Allein in der Oststeiermark werden mittlerweile 500 bis 600 Megawatt Solarstrom erzeugt, die auf eine Einspeisung ins Netz warten. „Das ist so viel, dass man damit die Verbrauchsspitze an einem durchschnittlichen Sonntag in der gesamten Steiermark abdecken könnte“, betont Martin Graf, Vorstandsdirektor der Energie Steiermark. Er spricht von der „größten Herausforderung der nächsten Jahre, die Netz-Infrastruktur dort zu haben, wo man sie auch braucht“. Dies könne nur gelingen, „wenn wir einen sehr eng abgestimmten Zeitplan für die Errichtung der Infrastruktur – aus Erzeugungs- und aus Netzsicht haben“.

Kleine Zeitung

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