Grüner Wasserstoff noch für viele Jahre knapp

16. November 2021, Berlin

Grüner Wasserstoff ist einer der großen Hoffnungsträger der Energiewende im Kampf gegen den Klimawandel. Doch nach Einschätzung von Wissenschaftern sollte Wasserstoff bis auf Weiteres Anwendungen vorbehalten bleiben, bei denen eine direkte Elektrifizierung mit grünem Strom nicht möglich ist – zum Beispiel in der Industrie, bei Fernflügen und im Schiffsverkehr.

Grund für die Empfehlung ist die Erkenntnis, dass grüner Wasserstoff noch für viele Jahre nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen wird, wie Experten aus sechs deutschen Instituten in einem Papier für das von Berlin geförderte Kopernikus-Projekt Ariadne zeigen.

Um bis 2030 auch nur ein Prozent der Endenergienachfrage in der EU mit heimischem grünem Wasserstoff zu decken, müsse dessen Produktion um rund 70 Prozent pro Jahr von 2023 bis 2030 steigen, sagte Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie müsse ähnlich schnell wachsen wie Solarenergie und doppelt so schnell wie Windenergie – jeweils in ihren besten Zeiten.

Wasserstoff, der ausschließlich mit erneuerbarer Energie gewonnen wird, kann als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen, um etwa in Industrie und Verkehr die Nutzung von Kohle, Öl und Erdgas abzulösen. Die deutsche Bundesregierung will deswegen den Ausbau erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne in der Bundesrepublik vorantreiben. Sie geht allerdings davon aus, dass ein großer Teil der benötigten Wasserstoff-Menge auf absehbare Zeit importiert werden wird.

Ein Knackpunkt sind aber nicht nur die noch zu knappe Solar- und Windenergie, sondern auch die Produktionsanlagen für Wasserstoff. Wasserstoff entsteht zum Beispiel durch Elektrolyse von Wasser, das in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Es seien zwar deutlich mehr Produktionsanlagen vorgesehen, sagte Ueckerdt. Allerdings gebe es für 80 Prozent der schon für 2023 angekündigten Projekte noch keine finale Investitionsentscheidung. „Wir sehen also eine Industrie, die im Grunde bereit ist, zu investieren, aber vor allen Dingen noch die politischen Rahmenbedingungen braucht, den Business Case braucht, um dann wirklich zu investieren.“

Ueckerdt sieht eine große Unsicherheit, wie schnell die Produktion von Wasserstoff wachse: Es könne schneller gehen als zum Beispiel bei Solarenergie, weil etwa der große politische Wille zum Klimaschutz und das große Interesse finanzstarker Unternehmen da seien. Aber es könnte auch langsamer gehen: „Wasserstoff ist ein neuer Energieträger. Wir versuchen etwas, was nie da gewesen ist, nämlich gleichzeitig eine Nachfrage, eine Infrastruktur und ein Angebot hochzufahren. Und das braucht insbesondere bei der Infrastruktur Koordination, die dann auch zur internationalen Koordination wird.“ Ausdrücklich wird in dem Papier in dieser Situation empfohlen, vor allem auch den Import von grünem Wasserstoff mit Nachdruck zu entwickeln.

Positiv äußern sich die Wissenschafter auch zu Wasserstoff, der bereits heute in größeren Mengen aus Erdgas gewonnen werden kann. „Eine „blaue Wasserstoffbrücke“ könnte das Angebot klimafreundlichen Wasserstoffs erhöhen und eine frühere Transformation hin zu Wasserstoff ermöglichen“, heißt es in dem Papier.

APA/dpa