Energiepolitik braucht neue Wege

23. Dezember 2021

Um Klimaziele zu erreichen, muss die Verbrennung von fossiler Energie weitgehend gestoppt werden. Lösungen gibt es aus Salzburg.

Daniela Müller salzburg. Die Zeit drängt: Soll Österreich bis 2040 klimaneutral werden, müsse in den kommenden Jahren maßgeblich in erneuerbare Energie investiert werden, betont Martin Baumann von der Österreichischen Energieagentur. Für ihn liegt die Lösung nicht nur im Einsatz neuer Technologien – schließlich geht es in erster Linie darum, die Verbrennung von fossilen Energieträgern auf ein Minimalmaß zu reduzieren –, sondern generell in einem Ideologiewandel und einer neuen Erzählweise.

Statt das Einsparen von Treibhausgasen nur mit Verzicht und negativen Botschaften in Zusammenhang zu bringen, könnte man die positiven Eigenschaften von Maßnahmen betonen: etwa dass eine Zugfahrt entspannender sein kann, als mit dem Auto zu fahren. „Wir sollten uns mehr auf den Nutzen konzentrieren“, sagt sein Kollege Günter Pauritsch, „und sehen, dass die damit verbundenen Änderungen durchaus das Potenzial haben, die Lebensqualität zu erhöhen“.
Für Maria-Christina und Georg Brunauer, die in der Initiative Ökonomie der Menschlichkeit für den Bereich Energie sprechen, braucht es eine Erneuerung von Grund auf. Um wirklich nachhaltig zu werden, muss die Energiewende auf erneuerbare Energieträger gestützt sein. Wesentlich dabei ist, dass nicht einfach die fossilen Träger durch neue „grüne“ Technologien ersetzt werden, ansonsten aber weitergemacht wird wie bisher. Im Energiebereich sehen die beiden die Lösung eher in einem Wandel von unten, etwa durch eine smarte und kleinteiligere Strom- und Energieproduktion.
Georg Brunauer, Professor am Fachbereich Smart Building und Smart Cities an der FH Salzburg, leitete zuletzt das Projekt H2 Village, bei dem in Obertrum die Grundlage für eine regionale Energieproduktion und -versorgung auf Basis von Wasserstoff gelegt wurde. Regionalität müsse wirklich regional gedacht werden, betont Brunauer. Ein Windrad im Ort, das einem großen Energiekonzern gehört und für die Gemeinde keinen direkten Vorteil bietet, sei keine Lösung.
Noch ist die heimische Energiepolitik stark lobbygetrieben. Ein Hersteller von Auspuffanlagen wird alles unternehmen, um an seinem Geschäftsmodell festzuhalten, ebenso der Betreiber von Tankstellen und oftmals auch die großen Energieanbieter. Die österreichische Klimapolitik sei jedenfalls bisher keine Erfolgsgeschichte, sagt Günter Pauritsch von der Energieagentur. Nach wie vor würden Öl und Gas für rund zehn Milliarden Euro aus Ländern mit autoritären Regimes importiert, statt innerhalb Österreichs die Energiewende anzutreiben und hier für Wertschöpfung zu sorgen, beklagt der Energieexperte. Manche Branchen erhoffen sich auch einen künftigen Import von erneuerbaren Gasen wie Wasserstoff aus diesen Ländern und damit eine Beibehaltung dieser Versorgungslage.

Eine maßgebliche Rolle bei der Klimawende spielen die Energieversorgungsunternehmen (EVU). Verbund/APG und die EVU der Länder haben bei der Netzinfrastruktur Monopolstellungen. Deren Aufgabe werde künftig vor allem darin bestehen, die Netzinfrastruktur für den Ausbau der erneuerbaren Energien bereitzustellen, sagt Stefan Uher, Energieexperte der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY Österreich. Die APG müsse etwa dafür Sorge tragen, dass genug Strom auch dann vorhanden ist, wenn erneuerbare Energieträger auslassen, um Blackouts zu vermeiden.

Für die Zukunft wird es darüber hinaus wichtig sein, Speichermöglichkeiten zu finden, in denen der Stromüberschuss im Sommer für den Winter gespeichert werden kann. Für die neuen „Prosumer“, Stromkonsumenten, die etwa mit ihren Photovoltaikanlagen auf dem Dach gleichzeitig zu Produzenten werden, könnten die Energieunternehmen Dienstleistungspakete bereitstellen, etwa zu Photovoltaikanlagen beraten, Finanzierungsmodelle bereitstellen und die Anlagen installieren. Viele EVU bieten solche Dienstleistungen bereits an. Für Stefan Uher ist für die Klimazielerreichung außerdem die Erhöhung der CO2 -Bepreisung um ein Vielfaches unverzichtbar.

Auch für Georg Brunauer ist die CO2 -Bepreisung ein wichtiges Instrument, ebenso der Herkunftsnachweis für Wasserstoff. Es sei eben nicht egal, ob Wasserstoff „grün“ (mit Erneuerbaren), „grau“ (fossil) oder „pink“ (Atomstrom) hergestellt werde. Insbesondere verweist Brunauer auf die Studie ONE 100 der Austrian Gas Grid Management AG, wonach unter Einbeziehung der regionalen Energiepotenziale eine vollständig grüne und sichere Energieversorgung in Österreich möglich ist.

Maria-Christina Brunauer von der Initiative Ökonomie der Menschlichkeit setzt hier auf das Potenzial des Wandels von unten: Große Transformationen, das hat die Geschichte gezeigt, haben ihren Ursprung auf Basis des Sozialen, also auf der menschlichen Ebene. Der Initiative, die sich aus Vertretern verschiedener Lebensbereiche zusammensetzt, geht es um einen Wandel, um ein Wirtschaften im Sinne der Menschlichkeit und eine Rückbesinnung auf unser Eingebettetsein in das natürliche Ökosystem, in dem der private Häuslbesitzer mit seiner Photovoltaikanlage und die kleinen Energiegemeinschaften wichtige Rollen spielen. Unverzichtbar seien dabei gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG).

Für ein Neu-Denken plädieren auch Baumann und Pauritsch von der Energieagentur und verweisen auf Elon Musk, der mit seinem Tesla die E-Mobilität attraktiv gemacht und damit der Automobilbranche eine neue Vision gegeben hat. Auch Dänemark nennen sie als Vorzeigeland in Sachen Klimawende: Dort gibt es eine nationale Klimapolitik, die von allen politischen Parteien mitgetragen wird. Auch die Energiewirtschaft zeigt sich wandlungsfähig: Der frühere Energieerzeuger Ørsted hat auf Windkraft gesetzt und ist heute Weltmarktführer bei Offshore-Windparks – und zwar durchaus auch ohne staatliche Förderungen. Wozu staatliches Geld? Die Antwort: Offshore-Parks sind das Geschäftsmodell der Zukunft.

Das Land Salzburg hat die Dringlichkeit offenbar erkannt und investiert in Projekte zur grünen Wasserstoffproduktion unter der Voraussetzung, dass entsprechende Maßnahmen in die regionalen Wertschöpfungskreisläufe zurückfließen. Einen wichtigen Beitrag können und müssen hierbei die Forschungseinrichtungen leisten, wie Georg Brunauer von der Fachhochschule Salzburg sagt.

Am Campus Kuchl entsteht derzeit eine Versuchsanlage für die Wasserstoffproduktion aus regenerativen Quellen, mit der man die Praxistauglichkeit der Technologie zur Stromspitzenabdeckung und für den Einsatz in der Mobilität beweisen wird. Brunauer: „Wir müssen Dinge konkret umsetzen – erst dann werden wir den Beweis antreten können, dass es auch anders geht. Sonst bleibt die Energiewende ein theoretisches Konstrukt, bei dem viel heiße Luft produziert wird. Und diese trägt höchstens weiter zur Klimaerwärmung bei.“

Salzburger Nachrichten