Ukraine pocht auf Stopp von Nord Stream 2

17. Jänner 2022, Frankfurt/Moskau/Kiew

Der staatliche ukrainische Energiekonzern Naftogaz hat erneut vor einer Inbetriebnahme der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee unter Umgehung der Ukraine als Transitland gewarnt. Es handle sich für die Ukraine um eine Frage der nationalen Sicherheit, sagte Naftogaz-Chef Jurij Witrenko der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Dabei verwies er auf den russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze.

Wenn Gas durch die Ukraine fließe, sei es für den russischen Präsidenten Wladimir Putin schwieriger, einen Krieg anzufangen, weil dann Gaslieferungen betroffen wären, sagte Witrenko. „Ich bin mir sicher: Wenn Nord Stream 2 in Betrieb geht, dann wird kein russisches Gas mehr durch die Ukraine nach Europa geleitet.“

Nach Einschätzung des Naftogaz-Chefs wird Putin aber nicht zulassen, die Gasversorgung Europas zu unterbrechen. „Ich persönlich glaube, dass er blufft.“ Europa würde ohne russisches Gas überleben, auch wenn es für die Verbraucher schwierig wäre. „Aber Europa würde danach nie mehr zu Russland als Gaslieferanten zurückkehren“, sagte Witrenko.

Die Spannungen im Ukraine-Konflikt haben zuletzt stark zugenommen. Der Westen kritisiert den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine und befürchtet einen Einmarsch.

Nord Stream 2 soll unter Umgehung der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland bringen. Die Leitung ist fertiggestellt, aber noch nicht in Betrieb. Viele Verbündete Deutschlands befürchten, dass damit die Abhängigkeit von russischem Gas steigt.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat dagegen betont, die ausstehende Entscheidung über die Inbetriebnahme durch die deutsche Bundesnetzagentur sei unpolitisch. Es handle sich um ein privatwirtschaftliches Projekt.

Russland bot unterdessen erneut an, mehr Gas nach Europa zu liefern. „Wir haben riesige Ressourcen“, sagte der für Energiefragen zuständige Vize-Regierungschef Alexander Nowak dem Staatsfernsehen. Grundsätzlich sei Russland an langfristigen Lieferverträgen interessiert, weil für die Erschließung neuer Gasfelder Investitionen und Planungen nötig seien.

Russische Gaslieferungen werden auch bei einem Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Kiew und Moskau zu Wochenbeginn zur Sprache kommen. Die Grünen-Politikerin hatte zuletzt gesagt, dass Nord Stream 2 „geopolitische Implikationen“ habe. Ihre Partei sieht das Projekt skeptisch.

APA/dpa

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