Experte: Künftig mehr LNG in Europa, aber auch Kohle, Atom

3. März 2022, Wien/Kiew/Moskau
Ein Braunkohletagebau in Deutschland - Welzow, APA/dpa

Energieexperte Florian Haslauer sieht durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine die Energiewende in ihrer bisher angedachten Form gefährdet. Es werde zwar mehr Flüssigerdgas als bisher nach Europa kommen, das für eine Übergangsphase auf dem Weg zu mehr Erneuerbaren-Strom auch Backup-Kraftwerken als Brennstoff dienen soll – aber es würden künftig statt Gas- auch viel mehr Kohle- und Atomkraftwerke laufen, meinte Haslauer am Donnerstag im Ö1-„Morgenjournal“ des ORF-Radio.

Die Energiewende in Österreich werde durch die aktuell hohen Gaspreise und ein verknapptes Angebot nicht beschleunigt: „Ich glaube, dass das eher das Gegenteil bedeutet“, sagte der Mitbegründer von e.venture consulting, der früher auch für den Berater A.T.Kearney tätig war. Für den Strommarkt in Europa und insbesondere für den Vorreiter Deutschland „bedeutet das jetzt, dass anstatt Gaskraftwerken viel, viel mehr Kohle laufen wird in den nächsten Jahren. Es wird der Kohleausstieg verschoben werden. Wir werden zukünftig eben mehr Atomkraft und mehr Kohlekraft anstatt Gaskraftwerken im Markt haben.“ Gaskraftwerke wären in der Energiewende die ideale Ergänzung gewesen, zumindest für die nächsten 20 Jahre – „das muss jetzt völlig neu gedacht werden“.

Österreich tue sich ein bisschen leichter, als mit Wasserkraft Grundlastkapazitäten zur Verfügung stünden, so Haslauer. Trotzdem sei ja Österreich ein Stromimportland und auf Stromimporte angewiesen. Dabei werde es sich dann um mehr Kohlestrom anstelle von Strom aus Gas handeln.

Beim Ziel, den Gasverbrauch zu senken, liege „der große Hebel“ in der Gasverstromung. In den Haushalten sehe er in den nächsten fünf, sechs, sieben Jahren keine Einsparmöglichkeiten. In der Industrie sei das auch nur eingeschränkt möglich. In der Industrie sehe er nur einen Spielraum von 10 Prozent, wo ein Umstieg auf andere Brennstoffe möglich sei, ohne die Produktion einzuschränken.

In Europa würden die Mengen an eingeführtem Flüssigerdgas (LNG) steigen. Sie seien zwar jetzt schon stark gestiegen, würden aber weiter zulegen. Momentan mache LNG in Europa bereits ungefähr 25 Prozent aus, es gebe Potenzial, das weiter zu erhöhen. Das gehe nicht über Nacht. Im ersten Schritt könnten die Kapazitäten besser genutzt werden – in Europa seien die LNG-Terminals nur zu rund der Hälfte ausgelastet. Längerfristig seien dann auch mehr Schiffskapazitäten nötig.

Das Gaspreisniveau liege derzeit circa beim Vierfachen des Niveaus der letzten zehn Jahre, man habe aber „auch schon das Fünf- und Sechsfache“ gesehen. Er gehe davon aus, dass die Gaspreise künftig ein Vielfaches vom Preis der vergangenen zehn Jahre ausmachen werden. Haslauer: „Das heißt, dass Europa ein sehr, sehr attraktiver Gasmarkt wird.“

APA

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