Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnt vor einem Boykott von russischem Gas. „Aus der deutschen Wirtschaft, von Verbänden und aus Unternehmen, nehme ich mit Fassungslosigkeit wahr, dass von manchen Ökonomen vorgetragen wird, ein Gas-Embargo sei leicht zu verkraften“, sagte IW-Direktor Michael Hüther der Nachrichtenagentur Reuters. Kurzfristig sei russisches Gas aber nicht ersetzbar – besonders für die Chemie und die Grundstoff-Industrien.
„Und darüber strahlt es in viele weitere Branchen aus“, sagte Hüther. „Ein Gas-Embargo ist daher für die deutsche Wirtschaft auf Sicht nicht verkraftbar.“ Nur etwa ein Drittel der russischen Lieferungen sei kurzfristig ersetzbar, etwa durch Flüssiggas (LNG).
Ob am Ende drei oder fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes verloren gingen, sei gar nicht der Punkt. „Hier handelt es sich um Netzwerkeffekte, weil die deutsche Industrie so stark verflochten ist“, warnte der Ökonom. Auch die Argumentation, dass in der Coronapandemie ebenfalls ganze Branchen geschlossen werden konnten, führe in die Irre. „Denn es macht einen Unterschied, ob ich Gastronomie-Betriebe oder Kultureinrichtungen schließe und entsprechend entschädige, oder ob ich ganze Industrie-Zweige stilllege“, so Hüther. „Das hat vollkommen andere Dimensionen, auch wie sehr die Schließungen durchwirken. Das geht dann schnell an die Substanz der Volkswirtschaft.“
Es dürfte auch nicht vergessen werden, dass die Bundesrepublik Gas auch weiterleite. „Ein Gas-Embargo hat also auch da Effekte jenseits der deutschen Grenzen“, sagte Hüther.
APA/ag