Heimische Industrie befürchtet irreparable Schäden

6. April 2022

Russisches Gas. Abrupter Importstopp könnte Produktionsanlagen beeinträchtigen Siegfried Menz Obmann WKÖ-Sparte Industrie

Die Lage in der österreichischen Industrie ist derzeit noch gut, die Auftragsbücher sind voll. „Wir wissen aber nicht, wie lange noch“, sagt Siegfried Menz, Obmann der Industrie-Bundessparte der Wirtschaftskammer Österreich. Denn der Preisanstieg bei Energie, der Fachkräftemangel und die Materialengpässe hätten sich durch den Krieg in der Ukraine verstärkt.

Wie sich die neuerlichen Lockdowns in China, der Privatkonsum und Angstsparen angesichts der aktuellen Krisen entwickeln würden, sei noch völlig offen. „Die Probleme, die der Krieg in der Ukraine bringt, sind leider sehr groß“, bestätigt Andreas Mörk, Geschäftsführer der Industrie-Bundessparte.

Der Produktionswert der heimischen Industrie habe sich zwar zuletzt deutlich auf 202,2 Milliarden Euro gesteigert, doch handle es sich hier nicht um nachhaltiges Wachstum. „Es ist vor allem den Preissteigerungen bei Gas und Rohstoffen geschuldet, die sich hier niedergeschlagen haben“, sagt Mörk. Er nennt ein paar Beispiele: Der Stromgroßhandelspreis sei im Vergleich zum April des Vorjahres um 163 Prozent gestiegen, der Gaspreis um 465 Prozent und der für die heimische Industrie wichtige Nickelpreis um 125 Prozent. Das drücke die Liquidität der Unternehmen und verringere deren Marge. Eine derartige Situation habe man in den vergangenen Jahrzehnten so nicht erlebt. Auch wenn die Auftragslage nach den beiden Corona-Jahren derzeit wieder stabil sei, müssten viele Unternehmen wegen Problemen in der Lieferkette wieder häufiger Kurzarbeit anmelden.

Geringes Gewicht

Sorgen macht der heimischen Industrie ein plötzlicher Importstopp russischen Gases. Das würde vor allem in Betrieben der chemischen sowie der Stahl-, Glas-, Papier- und Zementindustrie zu irreparablen Schäden an den Produktionsanlagen führen. Außerdem würde es sich auch bei der Beschäftigung auswirken, die Zahl der zur Kurzarbeit Angemeldeten würde weiter steigen.

Derzeit befindet sich die Zahl der Beschäftigten in der heimischen Industrie laut Mörk beinahe auf Vorkrisenniveau und liege bei rund 450.000, um 1,3 Prozent weniger als vor der Corona-Pandemie. Weder Russland noch die Ukraine würden für den Export der österreichischen Industrie eine große Rolle spielen, berichtet Mörk. Lag Russland in den 2010er-Jahren noch auf dem achten Rang im Außenhandelsranking, so findet es sich heute nur noch auf dem 17. Platz wieder. Die Ukraine liegt gar auf Platz 33. Die Außenhandelsvolumina betragen zwei bzw. 0,6 Milliarden Euro.
Ein Ausblick ist angesichts der aktuellen Lage schwierig, sagt Mörk. Sämtliche Konjunkturumfragen, die vor dem 24. Februar – dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine – gemacht wurden, seien jetzt natürlich hinfällig, sagt Mörk. Die Unternehmen würden die derzeitigen Aussichten als sehr unsicher und schwierig beschreiben. Die hohen Lohnforderungen in den aktuellen KV-Verhandlungen würden die Stimmung zusätzlich drücken.
„Die Auftragsbücher in der Industrie sind derzeit voll. Wir wissen aber nicht, wie lange noch“

Siegfried Menz Obmann WKÖ-Sparte Industrie

Kurier

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