Biogas könnte in Österreich bis zu einem Viertel des Erdgasverbrauchs ersetzen. Das sagte am Freitag der Präsident der Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), Michael Haselauer. Damit könnte vor allem der dezentrale Bedarf gedeckt werden. „Die Technologie ist da, die Gasnetze sind da. Wir müssen nur die brachliegenden Rohstoffe verarbeiten, die Zersetzungsprozessen ausgesetzt sind“, so Haselauer, der auch Geschäftsführer der Netz Oberösterreich ist.
Man sollte die Potenziale an Methan nutzen – Mengen, die ansonsten in die Atmosphäre gehen würden. Ein regionaler Ab-Hof-Verkauf von Biogas wäre aber zu kleinteilig und daher nicht wirtschaftlich, gab der Experte zu bedenken. Er geht von 1 bis 2 Mrd. m3 Biogas aus, die dezentral verfügbar gemacht werden könnten. Der gesamte Erdgasverbrauch Österreichs liegt bei 8 Mrd. m3 im Jahr, umgerechnet rund 90 Terawattstunden (TWh) von einem bei etwa 400 TWh liegenden heimischen Gesamtenergieverbrauch.
Mit über 170.000 Agrarbetrieben und 1,3 Millionen Hektar Agrarfläche fallen in Österreich enorme Mengen an agrarischen Abfällen an, so Haselauer. Längerfristig könnte zumindest die Hälfte des heutigen Gasbedarfs zur Gänze mit Biogas gedeckt werden. Das Energieinstitut der Johannes-Kepler-Uni Linz und die Montan-Uni Leoben würden ab 2030 jährlich ein technisches Potenzial an erneuerbaren Gasen von 58 TWh ausweisen.
Weltweit werden etwa 4.000 Mrd. m3 Erdgas pro Jahr verbraucht – davon etwa 10 Prozent als verflüssigtes Erdgas (LNG). Der Erdgasverbrauch der EU lag zuletzt bei 500 Mrd. m3 jährlich. Im Jahr 2020 stammten 167 Mrd. m3 aus Russland, 109 Mrd. m3 aus Norwegen und 25 Mrd. m3 aus Nordafrika. Aus der rückläufigen Eigenproduktion wurden 2020 in Europa 219 Mrd. m3 bestritten, 2008 waren es noch 320 Mrd. m3.
Haselauer sagte in einem Online-Pressegespräch, die Technik für den Umstieg auf „grüne Gase“ stehe in Österreich bereit. Es bedürfe aber Sicherheiten und Vorgaben für die Branche. Grünes Gas, inklusive Wasserstoff, sowie sauberer Ökostrom könnten helfen, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu senken.
Wasserstoff könnte ins Gasnetz problemlos bis zu 10 Prozent beigemischt werden, ohne dass es weiterer Vorkehrungen bedarf. Wasserstoff könne mit Hilfe von Strom, vorzugsweise überschüssigem aus Windkraft oder PV, durch Elektrolyse gewonnen werden. Damit würde sich auch automatisch eine Speichermöglichkeit von Strom aus dem Sommer- ins Winterhalbjahr ergeben. Bei Wasserstoff stehe an erster Stelle die Beimischung, später auch die Direktanwendung. Die Zukunft werde auch Weltmärkte für Wasserstoff bringen.
Nötig für „grünes Gas“ seien technologieoffene Rahmenbedingungen sowie Lösungen anstelle von destruktiven Verboten, sagte Haselauer. Es müsse ein Bekenntnis zur Nutzung der Gasinfrastruktur und sektorübergreifende Infrastrukturplanung geben. Im „Erneuerbare Wärme Gesetz“ sollten bundesweite Anreize zur Hebung vorhandener Grüngas-Potenziale aus Biomasse und erneuerbarem Strom gegeben werden. Für den Aufbau einer heimischen Grüngas-Infrastruktur seien auch Förderprogramme notwendig.
APA