Italien will sich so rasch wie möglich von russischen Gasimporten unabhängig machen. „Meiner Meinung nach sollten wir aus ethischen Gründen die Gaslieferungen aus Russland bald unterbrechen. Mit den Gasimporten zahlen wir fast eine Milliarde Euro pro Tag an Russland, damit finanzieren wir indirekt den Krieg“, sagte der Minister für den ökologischen Wandel, Roberto Cingolani im Interview mit der Tageszeitung „La Stampa“ (Donnerstagsausgabe).
„In der zweiten Hälfte des nächsten Jahres können wir wirklich anfangen fast völlig unabhängig von Russland zu werden. Die Strategie besteht darin, die 29 Mrd. Kubikmeter Gas aus Russland durch ebenso viel Gas zu ersetzen, das allerdings von Ländern auf verschiedenen Kontinenten gefördert werden muss“, erklärte Cingolani.
„Im Vergleich zu allen anderen europäischen Ländern haben wir den Vorteil, dass wir fünf Pipelines haben, die uns mit dem Norden, Süden und Osten verbinden. Natürlich wollen wir die Routen aus dem Süden und Osten verstärken“, erklärte der Minister.
In der Zwischenzeit werde die italienische Regierung den Ausbau der erneuerbaren Energien und anderer Quellen weiter vorantreiben. „Wenn der Krieg nicht zu lange dauert, werden wir uns von der Abhängigkeit von russischen Gasimporten befreien und den für 2030 geplanten Fahrplan einer 55-prozentigen Dekarbonisierung einhalten“, so der Minister.
Cingolani reist am heutigen Donnerstag zusammen mit Außenminister Luigi Di Maio nach Angola. Ziel ist es, ein Abkommen zu unterzeichnen, um aus dem afrikanischen Land mehr Gas zu beziehen. Ein ähnliches Abkommen soll mit der Republik Kongo unterzeichnet werden. An der Afrika-Reise hätte auch der italienische Premier Mario Draghi teilnehmen sollen, der jedoch in Italien bleiben musste, weil er sich mit dem Coronavirus angesteckt hat.
Die italienische Abhängigkeit von russischem Gas ist groß. 42 Prozent des italienischen Energieverbrauchs entfällt auf Gas, 95 Prozent davon werden importiert. Russland liefert 45 Prozent des in Italien verbrauchten Erdgases. Mit Hilfe neuer Lieferverträge soll sich das ändern.
Erst kürzlich hatte Italien ein Abkommen mit dem algerischen Staatsunternehmen Sonatrach geschlossen, das bis 2023/24 zusätzliche Gaslieferungen von bis zu neun Milliarden Kubikmeter pro Jahr vorsieht. Algerien ist zurzeit der zweitgrößte Gaslieferant Italiens und liefert rund 30 Prozent des italienischen Erdgases. Ein weiterer kürzlich unterzeichneter Vertrag mit Ägypten stellt den Italienern nach Angaben von ENI noch in diesem Jahr Flüssiggas-Lieferungen von bis zu drei Milliarden Kubikmeter in Aussicht. Zu diesem Zweck will Rom zwei schwimmende Flüssiggasterminals anmieten oder kaufen. In Italien selbst will die Regierung zudem die Erneuerbaren stärker ausbauen.
APA