Druck auf Gazprom steigt

20. Mai 2022, Wien

Ein Gesetzespaket soll Österreich bis Herbst weniger abhängig von russischem Gas machen. Es kann funktionieren, aber es wird teuer.

Österreichs Gasspeicher füllen sich: Rund 25 Terawattstunden (TWh) waren am Mittwoch eingelagert, knapp ein Drittel dessen, was im Land pro Jahr verbraucht wird. Für Mai sei das sehr gut, sagt Carola Millgramm, Leiterin der Gasabteilung in der Regulierungsbehörde E-Control. Sie sei auch guter Dinge, dass der Füllstand bis Herbst – wie hierzulande und in der EU angestrebt – auf 80 Prozent steigen wird.

Den Grund für diesen Optimismus liefert das Gesetzespaket, das die Regierung in den vergangenen Wochen geschnürt und am Mittwoch präsentiert hat. Mit der Novelle des Gaswirtschafts- bzw. des Energielenkungsgesetzes wird unter anderem ein Anreiz für Großunternehmen und Gashändler geschaffen, selbst Vorräte anzulegen. Sie bleiben dann im Energielenkungsfall zunächst von der verpflichtenden Verbrauchsreduktion ausgenommen.

Zudem werden Betreiber verpflichtet, ihre gemieteten Speicher auch zu füllen – sonst verlieren sie vorübergehend die Nutzungsrechte. Die Regelung zielt auf die Gazprom-Tochter GSA ab, die zusammen mit der RAG Austria AG den größten und modernsten heimischen Speicher im Salzburger Haidach nutzt. Der russische Staatskonzern hat Haidach bisher als Zwischenspeicher genutzt, seit dem Vorjahr ist er aber völlig leer. „Ein Zustand, der in der aktuellen Krise nicht tragbar ist“, sagte Energie- und Klimaministerin Leonore Gewessler nach dem Ministerrat.

Geplant ist eine stärkere Klausel („Use it or lose it“), wie das etwa bei Pipelines schon üblich ist, damit knappe Kapazitäten nicht blockiert werden. Sie verpflichtet die Gasfirmen, ungenutzte Speicherkapazitäten nach einer gewissen Frist anzubieten oder zurückzugeben. Die Details muss die E-Control ausarbeiten. Wichtig sei, die Flexibilität der normalen Nutzer nicht zu sehr einzuschränken, sagt Millgramm.

Die Gesetzesnovelle schafft auch die Voraussetzungen, um den Speicher Haidach ans heimische Leitungsnetz anzuschließen. Die Rohre sind zwar vorhanden, bisher hängt der Speicher aber nur am deutschen Netz. Auch Deutschland würde einen Teil der Kapazitäten gern zur Gasbevorratung für Süddeutschland nutzen. Vor zwei Jahren gab es laut E-Control einen ersten Anlauf, allerdings ohne Ergebnis. Nun muss binnen vier Monaten nach Inkrafttreten der Regelung ein Antrag auf Netzanschluss und Netzzutritt gestellt werden. Dann muss eine Station errichtet und die Verbindung physisch hergestellt werden. Laut RAG wäre das „noch in diesem Jahr möglich“. Wer die Kosten von rund zehn Millionen Euro tragen werde, sei noch nicht geklärt, verlautet aus der Tochterfirma von EVN, Uniper, Energie Steiermark und Salzburg AG.

Sollten die RAG oder ihr russischer Joint-Venture-Partner säumig sein, könnte die E-Control tätig werden und den Anschluss durchsetzen. Noch ist unklar, wie die Gazprom-Tochter in Österreich weiter agieren wird. In den meisten europäischen Ländern hat Gazprom seine Tätigkeit beendet und Handel mit den „Ex-Töchtern“ untersagt.
Ein Teil der Gesetzesänderung wird am Donnerstag im Nationalrat (mit den Stimmen von SPÖ und Neos) beschlossen bzw. diese Woche per Initiativantrag auf Schiene gebracht. Unter anderem wird die Ende März beschlossene strategische Gasreserve noch einmal aufgestockt. Bisher war vorgesehen, dass im Auftrag des Staats bis 1. November 12,6 TWh Gas – in etwa die im Jänner verbrauchte Menge – eingespeichert werden. Die Ausschreibung läuft noch bis 23. Mai. Nun soll die strategische Reserve 20 TWh ausmachen, wodurch der Gasverbrauch von zwei Wintermonaten gedeckt wäre. Vor allem sollen zusätzlich 7,4 TWh aus nicht russischen Quellen stammen. Erdgas aus Norwegen oder Nordafrika ist teurer, damit soll aber der russische Anteil am Gasverbrauch von derzeit 80 auf 70 Prozent sinken.
Bisher waren im Budget für die strategische Gasreserve 1,6 Mrd. Euro vorgesehen. Was die zusätzlichen Einkäufe kosten, hängt vom Gaspreis ab. Schätzungen belaufen sich auf eine weitere Mrd. Euro. In Summe hat die Regierung 6,6 Mrd. Euro für die zunehmende Abnabelung von russischem Gas vorgesehen – und will damit auskommen.

von Monika Graf

Salzuburger Nachrichten

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