Weniger EVN-Halbjahresgewinn durch sprunghafte Energiemärkte

25. Mai 2022, Wien/Maria Enzersdorf
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Die stärksten Verwerfungen auf den Energiemärkten seit Jahrzehnten haben beim nö. Energieversorger EVN im Geschäftshalbjahr auf die Ergebnisse gedrückt, die Jahresprognose wurde aber bekräftigt. Erhielte man vom Verbund-Konzern, bei dem man Strom-Großkunde ist, ebenfalls wie andere Abnehmer einen „Sonderrabatt“, würde man den an die eigenen Kunden weitergeben, sagte EVN-Chef Stefan Szyszkowitz am Mittwoch vor Journalisten.

Damit spielte der EVN-Chef auf die seit Dienstag bekannten Details des Energiebonus-Pakets für Haushalts- und Gewerbekunden des Verbund an, von dem man als Großkunde nicht profitiert. Selbst müsse man 80 Prozent des Stroms zukaufen, meist vom Verbund, da der Eigenproduktionsanteil der EVN nur 20 Prozent beträgt, so Szyszkowitz. Bei Gas seien es sogar 100 Prozent, die von der OMV erworben würden. Diese Einkaufspreise müsse man als EVN den Kunden weitergeben. Erhielte man aber einen Strom-Sonderrabatt, würde man auf die Energievertriebs-KG im Rahmen der EnergieAllianz einwirken, diesen den Kunden weiterzureichen. Er sei sehr für den neuen Treuebonus des Verbund, „aber wir sind auch ein langjähriger Kunde, das sollte mitberücksichtigt werden“, so der EVN-Chef. EVN und Wiener Stadtwerke halten zusammen gut 25 Prozent am Verbund zu etwa gleichen Teilen, 51 Prozent die Republik Österreich.

Vom Aktienkursrückgang, von dem wie der Verbund auch die EVN als Versorger in mehrheitlich öffentlichem Eigentum betroffen war, nachdem Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) Anfang Mai über eine Gewinnabschöpfung per Sondersteuer für Profiteure der hohen Strompreise nachgedacht hatte, hätten sich die EVN-Titel wieder erholt, erinnerte Szyszkowitz. Es gebe eine Reihe von Faktoren, warum ein Aktienkurs schwanke – binnen eines Tages hatte der Verbund Milliarden an Marktkapitalisierung eingebüßt, die EVN eine Viertel Milliarde Euro. Offenbar müsse man die „Tiroler Tageszeitung“ (TT) lesen, damit man etwas erfahre, von dem man sonst nicht wissen würde, so der EVN-Chef zum Nehammer-Interview.

Angesichts des Ukraine-Kriegs und der gesetzlichen Vorgaben tue man als EVN alles, um die Gasversorgung auch in den nächsten Monaten und im nächsten Winter zu gewährleisten, betonte Vorstandsdirektor Franz Mittermayer. Bei der Tochter RAG AG, der früheren Rohöl-Aufsuchungs AG, habe man Speicher angemietet, zudem baue man die strategische Gasbevorratung laufend aus. Die Füllstände würden wieder nach oben gehen, nach 13 Prozent Ende April seien nun schon knapp 30 Prozent erreicht.

Der EVN-Nettogewinn sank im Zeitraum Oktober bis März im Periodenvergleich um 27,6 Prozent auf 127,4 Mio. Euro, ein stärkerer Rückgang als nach dem Auftaktquartal. Dennoch bekräftigte man am Mittwoch die Jahresprognose von 200 bis 240 Mio. Euro für das Gesamtjahr (per 30.9.), aber mit der Anmerkung, dass „stärkere oder länger anhaltende Verwerfungen auf den Energiemärkten das erwartete Ergebnis negativ beeinflussen“ könnten. Auch das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sackte diesmal kräftiger ab, nämlich um 21,6 Prozent auf 420,2 Mio. Euro. Das Betriebsergebnis (EBIT) ging um 17,1 Prozent auf 211,0 Mio. Euro zurück.

Der Umsatz kletterte dagegen nun stärker, um 65,5 Prozent auf 2,127 Mrd. Euro; Grund waren u.a. deutliche Zuwächse im Energievertrieb in Südosteuropa und witterungsbedingte Mengeneffekte im Netz. Analog zum Umsatz nahm der Aufwand für Fremdstrombezug und Energieträger deutlich von 568,7 Mio. auf 1,314 Mrd. Euro zu. Dies resultierte vor allem aus höheren Energiebeschaffungskosten in Südosteuropa, dem höheren Primärenergieaufwand für das häufiger eingesetzte kalorische Kraftwerk Theiß in NÖ sowie aus höheren Beschaffungskosten der EVN Wärme.

Fremdleistungen und sonstiger Materialaufwand stiegen im internationalen Projektgeschäft um 20,6 Prozent auf 290,4 Mio. Euro, der Personalaufwand lag mit 179,4 Mio. um 1,4 Prozent höher. Der Personalstand stieg auf 7.147 (7.140).

Die Stromerzeugung der EVN lag im ersten Halbjahr 2021/22 mit 1.998 Gigawattstunden (GWh) um 3,9 Prozent unter dem Vorjahresvergleich. Davon entfielen 1.192 (1.112) GWh auf die erneuerbare Erzeugung. Der Erneuerbaren-Anteil lag bei 59,7 (53,5 Prozent). Ein hohes Windaufkommen kompensierte den Rückgang der Erzeugungsmengen aus Wasserkraft. Die thermische Stromerzeugung sank durch den Verkauf des 49-Prozent-Anteils am deutschen Kraftwerk Walsum 10 per 30.9. um 16,8 Prozent auf 805 GWh. Gegenläufig wirkten hier mehr Theiß-Abrufe zur Netzstabilisierung.

Der Netzabsatz wuchs bei Strom um 2,5 Prozent auf 12.888 GWh und bei Erdgas um 4,9 Prozent auf 11.277 GWh. Der Stromverkauf an Endkunden legte um 7,1 Prozent auf 11.755 GWh zu, ging aber bei Erdgas um 5,2 Prozent auf 3.950 GWh zurück. An Wärme wurde mit 1.782 GWh um 2,9 Prozent mehr an Endkunden verkauft.

Ihre installierte Windkraftleistung möchte die EVN bis zum Jahr 2030 von derzeit 400 Megawatt (MW) um 350 MW auf 750 MW ausbauen. Bei Photovoltaik will das Unternehmen bis dahin um 300 MW aufstocken, so Mittermayer. Einen regelrechten Ansturm erlebt die EVN derzeit, was PV-Anlagen Privater betrifft: Heuer habe man hier bisher doppelt so viele Anträge verzeichnet, im April im Schnitt 1.200 pro Woche. Derzeit würden in Niederösterreich bereits 52.000 PV-Anlagen mit über 610 MW Leistung ins Netz einspeisen. Deshalb liege auch der Invest-Schwerpunkt der EVN beim Netzausbau – bis hin zu den Umspannwerken: Von den 92 Umspannwerken müssten 40 bis zum Jahr 2030 neu errichtet oder ersetzt werden. Der Roll-Out der modernen Smart-Meter-Stromzähler sei bei der EVN zu 80 Prozent erfolgt, über 700.000 Zähler seien schon getauscht, bis Jahresende werde man hier den Abschluss haben.

Die Herausforderung für eine ab 2030 bilanziell übers Jahr gesehen 100-prozentige Stromversorgung mit Erneuerbaren wird laut Mittermayer sein, in Österreich 15 bis 20 Terawattstunden (TWh) Strommenge vom Sommer (mit hoher Erzeugung) in den Winter (mit hohem Verbrauch) zu verschieben. Zum Vergleich: 2021 wurden rund 66 TWh an heimische Kunden abgegeben, der Bruttostromverbrauch betrug 73,5 TWh. Für eine saisonale Verschiebung von 15 bis 20 TWh sei die dreifache Menge an Wasserstoff (H2) erforderlich, würde man sie allein auf diesem Wege vornehmen wollen. Für eine komplette Erdgas-Substitution der 9 Mrd. m3, die in Österreich jährlich verbraucht werden (im Vorjahr nur 96 TWh oder rund 8,5 Mrd. m3), wären für die zusätzliche Produktion allein von Strom 140 Donaukraftwerke wie Wien-Freudenau nötig, um H2 mit dem Energieinhalt von 9 Mrd. m3 Gas zu erzeugen.

Wasserstoff sehe man als EVN nur als eine Zwischenstufe an, so Mittermayer. „Grünes Methan daraus zu machen, also CH4, wäre unseres Erachtens besser.“ Dann könnte man nämlich bei der Methanisierung sogar CO2 eliminieren, in dem man es mit H2 zusammenführe. Zur Verschiebung des Sommer-Stromüberschusses in den Winter seien Speicher nötig, allerdings benötige man wegen der aufwendigen Umwandlungen „drei Einheiten im Sommer für eine im Winter“.

Bei Wasserstoff stehe man erst am Beginn einer Diskussion, so Szyszkowitz. Europa werde auch mit Ländern außerhalb in Handels- und Vertragsbeziehungen treten müssen, wenn es um H2-Importe gehe. Vor den früheren 2030er Jahren werde es dabei wohl nicht um größere Mengen gehen können. Natürlich könnte der Weg zu grünem Wasserstoff auch entfernte Regionen wie Australien miteinschließen, gab Mittermayer zu verstehen. Denkbar wäre, von dort Methanol als Träger für erneuerbare Energien zu importieren, wie dies bereits Deutschland plant. H2 in flüssiger Form aus Australien zu holen, scheide wegen des hohen Energieverbrauchs wohl aus, er müsste auf 250 Grad unter Null abgekühlt werden. So oder so werde man auch künftig vom Ausland abhängig sein, die Frage sei von welchen Ländern, so Mittermayer.

APA

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