„Ablasshandel hat das Verhalten auch nicht verändert“

20. Juni 2022, Linz

Energie-AG-Chef Werner Steinecker über hohe Energiepreise und die Klimaziele.

Seit 50 Jahren arbeitet Werner Steinecker für die Energie AG (bzw. die Ferngas). Im Interview mit den OÖNachrichten spricht er über sein schwierigstes Jahr als Generaldirektor, den Einfluss des Preises auf das Verhalten von Konsumenten und die Energieversorgung der Zukunft.

OÖNachrichten: Kann es sein, dass Ihr letztes Jahr bei der Energie AG Ihr turbulentestes wird?

Werner Steinecker: Mit Sicherheit. Natürlich muss man die Entwicklungen mit Demut sehen und darf nicht übersehen, was im 20. Jahrhundert passiert ist. Aber seit fünf Jahren erleben wir eine Revolution, eine Re-Regulierung, wie wir sie nie kannten. Die Politik nimmt verstärkt Einfluss auf Preise und Infrastruktur. Und wir als Fachleute werden erst nach NGOs, Sozialpartnern und Parteien gefragt.

Und was werden Sie gefragt?

„Könnt ihr bitte aus einem Zehn-Liter-Kübel zwölf Liter Wasser leeren?“ Wobei uns das schon mehrfach gelungen ist, weil unser System robust ist. Vor allem in Oberösterreich, wir haben ein gut ausgebautes Netz und sind in der Lage, aus vielen Einspeisepunkten wie 43 Wasserkraftwerken ins System einzuspeisen und die Versorgung mit Energie zu sichern. Darum sind diese ganzen Diskussionen um ein Blackout unqualifiziert. Egal von wem.

Ihre Stammkunden merken von den Verwerfungen bei Strom und Gas wegen der Preisgarantien bis Jahresende noch nichts, Neukunden sind mit deutlich höheren Preisen konfrontiert. Auf welches Preisniveau müssen wir uns einstellen?

Persönlich weiß ich das nicht. Auf Wiener Ebene wird von einer Verdoppelung gesprochen. Ich glaube das aber nicht. Ein Haupttreiber für die hohen Strompreise sind die Verwerfungen auf dem Gasmarkt, und Letztere werden ein Ende haben, wenn der Krieg in der Ukraine endet. Ich halte das Szenario für realistisch, dass der Krieg in der Ukraine vor dem Winter vorbei ist, weil keine der beiden Armeen auch nur ansatzweise für den Winter gerüstet ist.

Sie haben von einem größeren Einfluss der Politik auf die Energiewirtschaft gesprochen. Hat dieser Einfluss bei der Energie AG noch mehr zugenommen?

Ich habe vor allem die bundespolitische Seite gemeint, wo allein die unselige Aussage über die Abschöpfung so genannter „windfall profits“ die Aktienkurse nach unten rasseln ließen.

Hat die Energie AG auch Übergewinne?

Das muss man differenziert sehen. Was die Wasserkraft betrifft, berechnen wir den Einsatz nach dem „Merit-Order-Prinzip“ – das letzte zugeschaltete Kraftwerk ist das teuerste und beeinflusst den Preis allein, das erhöht die Margen. Wenn die Wasserführung aber nicht gut ist, und im Herbst war sie sehr schlecht, müssen wir selbst auf dem Spotmarkt zu hohen Preisen zukaufen. Das ergibt einen Mischpreis, mit dem wir auf dem Markt agieren können.

Überrascht es Sie, dass die steigenden Energiekosten kaum Verhaltensänderungen hervorrufen? Ist Energie aus diesem Gesichtspunkt noch immer zu billig?

Das würde ich angesichts der derzeitigen Preise nicht behaupten. Reduziert auf die Treibstoffpreise, die für Vielfahrer und Pendler der blanke Wahnsinn sind, und die dramatisch erhöhte NoVA ist es aber tatsächlich überraschend, wie wenig sich verändert hat.

Wie soll man die Menschen sonst dazu bringen, klimafreundlicher zu agieren?

Die Stellschraube Preis ist ein sehr vereinfachtes Mittel, die Menschen zu Verhaltensänderungen zu zwingen. Das hat schon vor 200 Jahren beim Ablasshandel nicht sehr gut funktioniert, außer dass mit dem Geld Kirchen gebaut wurden. Mich wundert, dass man zu wenig auf technische Hilfsmittel vertraut, Stichwort „Home Automation“. Hier könnte man in Kombination mit den Zählerdaten von Smart-Metern Energie sparen und müsste kaum Abstriche beim Komfort machen.

Wie beraten Sie Ihre Kunden beim Umstieg auf anderes Verhalten und andere Heizformen?

„Oesterreichs Energie“ erhebt regelmäßig, was Kunden wollen. Am wenigsten wollen sie Energieberatung. Man muss es trotzdem betreiben. Und wenn man bedenkt, dass Oberösterreich der weltweite Hotspot für Wärmepumpen ist, ist auch einiges gelungen. Wir haben schon in den 1980er Jahren Pionierarbeit bei Wärmepumpen und Photovoltaik geleistet. Wir haben uns auch schon früh mit Windkraft beschäftigt und gesehen, dass das Potenzial in Oberösterreich überschaubar ist.

Das heißt, die 100 Windräder, die die Grünen aufstellen wollen, sind falsch investiert? Wo wollen Sie sie hinstellen?

Der grüne Landesrat möchte bestehende Anlagen im Mühlviertel und im Kobernaußerwald vergrößern. Aber man muss sich bewusst sein, dass das sehr große Anlagen wären. Wir haben die alpinen Regionen untersucht. Wir müssten dorthin breiteste Straßen bauen, um das Material hinaufzubringen, und dann für den Transport herunter enorme Leitungen bauen.

Das rechnet sich also nicht.

Mit entsprechenden Förderungen kann man sogar in einem Keller ein Windrad aufstellen. Es wäre aber fatal, unseren Lernprozess, was Kunden wollen und brauchen, für beendet zu erklären. Das sehen wir bei den Energiesparmessen. Der Austausch mit unseren Kunden bringt uns weiter.

Wie werden wir zehn Jahren mit Strom und Wärme versorgt?

Ich rechne mit einem elektrischen Heizsystem, keine Radiatoren, sondern Flächenheizungen auf Niedrigtemperaturbasis im Boden oder in der Wand. Früher waren Stromheizungen verpönt, sie werden aber durch die vielen PV-Anlagen und ein gut ausgebautes Netz mit anderer Technik eine Renaissance erleben. Daneben wird die Wärmepumpe der Star. Und in dicht verbauten Gebieten wie Linz oder Wels die Fernwärmeausleitung aus der Müllverbrennung zu nutzen, ist ein weiterer Punkt.

Gibt es eine reelle Chance, die Klimaschutzziele rechtzeitig zu erreichen?

Das zu verneinen, würde als Verrat gehandelt. Auch im Klimaschutz-Ministerium höre ich, dass man skeptisch ist. Ich glaube es auch nicht. Aber wir waren noch nie so weit wie heute. Die Zielvorgaben sind also wichtig. Der Druck bleibt im Kessel, das wollen auch die jungen Leute.

„Mit den entsprechenden Förderungen kann man sogar in einem Keller ein Windrad aufstellen, und es rechnet sich.“

Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich, über das Potenzial von Windrädern in unserem Bundesland

Oberösterreichische Nachrichten