Ökonomen zur deutschen Gas-Alarmstufe: „Lage ist bedrohlich“

23. Juni 2022, Berlin/Moskau
Es wird enger - Kiel, APA/dpa

Ökonomen befürchten wegen ausbleibender Gaslieferungen eine schwere Rezession im Winter und fordern daher Anreize zum Sparen sowie Entlastungen von Geringverdienern. „Mit der Ausrufung der Alarmstufe ist nun klar: Die Lage auf dem Gasmarkt ist bedrohlich“, sagte der Regierungsberater und Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Jens Südekum, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Ein unmittelbarer Zusammenbruch der Gasversorgung drohe zwar nicht. „Aber wir können nicht mehr hinreichend Gas einspeichern – und das werden wir im Winter zu spüren bekommen“, warnte Südekum. „Es drohen dann eine Rationierung des Gasbezugs und damit Produktionsstopps in der Industrie. Eine schwere Rezession könnte die Folge sein.“

Das sieht auch Sebastian Dullien so, der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). „Natürlich steht die Konjunktur bereits auf Messers Schneide“, sagte der Ökonom. Sein Haus rechne zwar mit einem Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent in diesem Jahr – „aber unter der Annahme, dass der Gasfluss nicht unterbrochen wird“, wie er betonte. „Wenn doch, dann sind wir relativ schnell in einer Rezession.“ Bei einem Gaslieferstopp drohe eine Verdoppelung oder gar Verdreifachung der Gasrechnung. Das würde den Konsum treffen. „Zweistellige Inflationsraten wären dann schnell da“, sagte Dullien.

Südekum fordert deshalb, Energie wo immer es geht einzusparen. „Deshalb müssen jetzt handfeste Anreize für die Haushalte auf den Tisch“, sagte er und brachte einen Energiesparbonus ins Spiel. „Moralische Sparappelle alleine reichen nicht mehr.“ Nebenbei würde ein solcher Bonus auch etwas Druck von den Preisen nehmen. Daneben müsse die Regierung die nächsten Entlastungspakete vorbereiten. „Wenn die Gaspreise so in die Höhe schießen, werden viele Familien mit kleinen Einkommen in eine finanzielle Schieflage kommen“, sagte der Ökonom. „Hier sind gezielte Entlastungen notwendig, aber ohne die Anreize zum Energiesparen zu verwässern.“

Ganz ähnlich schätzt das IMK-Direktor Dullien ein. „Wir werden eine Reihe von sozialen Problemen bekommen“, warnte er. „Die Regierung sollte den Grundverbrauch von Gas subventionieren und den Preis für diesen Grundverbrauch deckeln, um übermäßige soziale Härten zu vermeiden.“

APA/Reuters

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