Die Ampelkoalition will den Ausbau der Windkraft an Land drastisch beschleunigen. Viele Probleme haben sie beseitigt. Doch neue tun sich auf.
Es liest sich wie eine Anleitung mit der Überschrift „Wie verhindere ich Windräder dort, wo ich sie nicht will?“: Der zwölfseitige Ablehnungsbescheid für den Windpark Damitzow ist eine Quelle der Inspiration für alle Vorkämpfer des Denkmalschutzes – oder Windpark-Gegner. Die fünf geplanten Windräder würden „mit ihren farblichen Kontrasten (rot und weiß), technischen Formen und den Bewegungen der Flügel die prägende ruhige Bildwirkung des Hintergrundes zerstören“, heißt es in dem Bescheid, den das brandenburgische Landesamt für Umwelt am 15. Juni 2022 herausgegeben hat.
Damitzow steht für einen Trend, der der Windenergiebranche wachsende Sorgen bereitet. Bislang waren der Schutz von Greifvögeln wie dem Rotmilan, Einwände der Flugsicherung, restriktive Abstandsregelungen und ein stockender Ausbau der Stromnetze die größten Hemmnisse für einen zügigen Ausbau der Windenergie an Land. Doch während für einige dieser Probleme Lösungen gefunden wurden, erscheint ein neues am Horizont: der Denkmalschutz.
Im Fall des Gartendenkmals Gutspark Damitzow werde das Erscheinungsbild durch die Windräder „in erheblicher Weise beeinträchtigt“. Man müsse den Blick über das eigentliche Denkmal hinaus weiten und stelle dann fest, dass auch umliegende Ansichten „und sogar der Himmel als Bestandteil zur Parkkomposition gehören und damit ein wichtiger Bestandteil der Umgebung des Denkmals sind“.
Rigorose Umweltbehörde
Dabei befindet sich das Gebäude in Damitzow in einem schlechten Zustand, der Park gleicht einem Wald. Von Aktivitäten, das Gebäude oder den Park zu retten, ist nichts bekannt. Das tut aber aus Sicht der Behörde nichts zur Sache: Es sei „nicht der momentane Zustand des Parks in seinem unzureichenden Pflegezustand für die Beurteilung ausschlaggebend, sondern der Zielzustand des Gartendenkmals“. Das Unternehmen wpd aus Bremen, das den Windpark 2019 beantragt hatte, hat gegen den Ablehnungsbescheid am 12. Juli Widerspruch eingelegt.
Die Außengrenzen des Parks sind nach Angaben von wpd etwa 1000 Meter von den geplanten Windrädern entfernt. Wäre das Ensemble aus Haus und Park kein Denkmal, sondern eine bewohnte Siedlung, wäre der Abstand laut wpd genehmigungsfähig.
Quer durchs Land erweisen sich weitere Denkmalschutzbehörden als zähe Gegner. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat eine Reihe typischer Fälle zusammengetragen. Betroffen sind Projekte in verschiedenen Bundesländern. Beim BDEW heißt es: „Kleinste Denkmäler, teils bereits stark verfallene Gebäude, werden ins Feld geführt, um eine Vielzahl von Anlagen – und damit erhebliche Leistungsmengen – zu blockieren.“ Daran sei besonders problematisch, „dass bei tausenden Denkmälern pro Bundesland (zum Beispiel in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) potenziell jedes Vorhaben von denkmalrechtlichen Einwänden betroffen sein kann“. Es komme dann immer auf die Handhabung durch die konkreten Behörden an. Für die Projektentwickler wachsen damit die Unwägbarkeiten.
Fehlende Maßstäbe
Ein großes Konfliktfeld ist der Umgebungsschutz der Denkmäler. Problematisch ist, dass es nicht nur an einheitlichen Maßstäben für diesen fehlt, weil sich die rechtlichen Grundlagen der Länder stark unterscheiden. Darüber hinaus ist selbst der Rechtsbegriff der „Umgebung“ nicht klar definiert.
Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie (BWE), sagte: „Die Ampelkoalition hat in den vergangenen Wochen und Monaten mit einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen Hürden für den Ausbau der Windkraft aus dem Weg geräumt. Wir sehen allerdings mit Sorge, dass sich neue Hindernisse auftun.“ Das gelte insbesondere mit Blick auf den Denkmalschutz. Einige Denkmalschutzbehörden gingen dazu über, dem Ausbau Steine in den Weg zu legen, sagt Axthelm. Die Gerichte hätten sich die restriktive Auslegung von Denkmalschutzbestimmungen in einigen Fällen bereits zu eigen gemacht. „Das bremst den Ausbau der Windkraft enorm. Hier sind die Länder gefordert, für die entsprechenden Klarstelllungen zu sorgen.“
Dabei ist unbestritten, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien mit Riesenschritten vorangeht. 2030 sollen 80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. 2021 waren es nach Angaben des Umweltbundesamtes 41,1 Prozent. Die Windenergie spielt dabei eine tragende Rolle bei der Energiewende. Aktuell sind in Deutschland Windräder mit 56 Gigawatt (GW) Leistung installiert. Nach den Plänen der Ampelkoalition sollen es bis 2030 bereits 115 GW sein.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Ampelkoalition vor der Sommerpause das energie- und klimapolitische „Osterpaket“ beschlossen, das insgesamt fünf Gesetze enthält, die den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen sollen. Als Herzstück des Pakets wird im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der Grundsatz verankert, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient.
Außerdem wird die Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land bereitzustellen. Die finanzielle Beteiligung der Kommunen wird ausgeweitet, damit sie bei Wind an Land und bei Photovoltaik in Zukunft zum Regelfall wird. Zusätzlich sollen windschwache Standorte verstärkt erschlossen werden. Zudem enthält das Paket eine weitere Beschleunigung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren. Zusätzlich wurden Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus beschlossen.
Neuer Schwung für den Ausbau der Windenergie an Land ist dringend erforderlich. In den vergangenen Jahren hatte sich der Ausbau auf ein niedriges Niveau eingependelt. Auch im ersten Halbjahr 2022 kam dieser kaum von der Stelle. Netto wurden nur 156 Windräder mit einer Leistung von 0,878 GW neu installiert. In guten Jahren wurden Windräder mit einer Leistung von mehr als vier GW installiert.
Langsame Umsetzung
Die von der Ampelkoalition beschlossenen Gesetze werden dem Ausbau nach Überzeugung der Branche zwar Schub geben. Ob das aber tatsächlich ausreicht, um die Ziele zu erreichen, muss sich erst noch erweisen. Zu den wachsenden Problemen mit dem Denkmalschutz kommt, dass das sogenannte „Repowering“ nicht vorankommt. Darunter versteht man den Ersatz alter Anlagen, die nicht mehr mittels EEG gefördert werden, durch neue, weitaus leistungsfähigere Windräder. „Es würde dem Ausbau der Windkraft erheblichen Schub geben, wenn das Repowering erleichtert würde“, sagt BWE-Geschäftsführer Axthelm. „Wir hoffen, dass die Bundesregierung die Möglichkeiten, die sich aus dem Repowering ergeben, möglichst rasch nutzbar macht“, ergänzt er.
Die Ampelkoalition habe das Thema zwar erkannt, das spiegele sich im Koalitionsvertrag wider, sagt Axthelm. Es würden einfachere Genehmigungsverfahren für das Repowering in Aussicht gestellt. Das ist allerdings bislang noch nicht gesetzlich unterlegt. „Wir fordern die Koalition daher auf, eine entsprechende Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes möglichst schnell auf den Weg zu bringen. Solange es diese Regelung nicht gibt, schrecken viele Betreiber davor zurück, alte Windräder durch neue zu ersetzen“, so Axthelms Beobachtung.
Das ist verständlich, denn die Risiken sind beträchtlich: Für 70 Prozent der potenziellen Repowering-Standorte sind neue Anlagen nach Branchenangaben nicht mehr genehmigungsfähig, weil die entsprechenden Flächen mittlerweile nicht mehr für die Windkraftnutzung ausgewiesen sind. Das muss nach Überzeugung der Branche durch eine entsprechende gesetzliche Regelung geändert werden.
Nach Beobachtung einiger Akteure der Branche gibt es auch andere Gründe dafür, dass das Repowering stockt. Frank Kreimer, Geschäftsführer der Hagedorn Service GmbH, beobachtet: „Angesichts des hohen Strompreisniveaus wollen viele Betreiber alter Windparks die hohen Gewinnmöglichkeiten noch mitnehmen.“ Das Unternehmen hat sich auf die Demontage alter Windparks spezialisiert und gehört zu den Marktführern. „Eine Verlängerung auslaufender Betriebsgenehmigungen um fünf oder zehn Jahre ist heute gängige Praxis. Ich halte eine leichtfertige Verlängerung der Genehmigungen für falsch“, sagt Kreimer. „Von einem kontinuierlichen Repowering würde die gesamte Energiewende profitieren. Die Politik muss das Repowering daher voranbringen.“
ZITATE FAKTEN MEINUNGEN
Zwischenbilanz Energiewende: Windkraft an Land Status quo: Seit mehreren Jahren kommt der Ausbau der Windkraft an Land nicht voran. Die Ausbauzahlen bewegen sich auf sehr niedrigem Niveau. Woran es hakt: Langwierige Genehmigungsverfahren und ein von Bundesland zu Bundesland unterschiedlicher Umgang mit Fragen des Natur- und Artenschutzes gehören zu den Hindernissen, die einem raschen Ausbau der Windkraft an Land im Weg stehen. Auch restriktive Abstandsgebote stellen ein Problem dar. Was getan werden muss: Aktuell sind in Deutschland an Land Windräder mit einer Leistung von 56 Gigawatt (GW) installiert. Bis zum Jahr 2030 sollen es 115 GW sein. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Ampelkoalition kurz vor der Sommerpause eine Reihe von Gesetzen beschlossen: Genehmigungsverfahren werden beschleunigt; das Ziel, zwei Prozent der Landesfläche für den Windkraftausbau vorzuhalten, ist nun gesetzlich verankert; die finanzielle Beteiligung von Kommunen soll zum Standard werden. Weitere Schritte sollen folgen. So fordert die Branche beispielsweise, das „Repowering“, also den Ersatz alter Anlagen durch neue, weitaus leistungsfähigere Anlagen, genehmigungsrechtlich zu privilegieren.
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