Übergewinne für die Steueroasen

22. August 2022

Eine neue Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland 30 bis 100 Milliarden Euro zusätzlich durch die Besteuerung von Übergewinnen einnehmen könnte. Doch ein großer Teil der Gewinne ist nur schwer zu greifen.
Warum die politische und wirtschaftliche Ausgangslage derzeit heikel ist, lässt sich schnell erklären. Während in den meisten Industriestaaten die Inflation das höchste Niveau seit vier Jahrzehnten erreicht hat, erzielen einige Unternehmen aus der Energiewirtschaft Rekordgewinne. Dazu gehören neben Mineralölkonzernen vor allem Stromerzeuger. Diese Konstellation sorgt dafür, dass die Diskussion rund um eine Übergewinnsteuer in jenen Ländern, in denen es sie bisher nicht gibt, weiter Fahrt aufnimmt.

In Österreich sprach sich Vizekanzler Werner Kogler zuletzt dafür aus. Der Grünen-Politiker will aber sicherstellen, dass Stromkonzerne bei Investitionen in erneuerbare Energien ausgenommen sind. Die Chancen auf Verwirklichung des Projektes stehen schlecht, da vom Koalitionspartner ein Nein kommt.

In Deutschland, wo die Koalition beim Thema ebenfalls zerstritten ist, hat die NGO Netzwerk Steuergerechtigkeit eine interessante Studie zur Übergewinnbesteuerung veröffentlicht. Die Studie wurde im Auftrag der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellt und kommt auch wenig überraschend zu dem Ergebnis, dass eine Besteuerung der Übergewinne notwendig wäre. Demnach könnte sich der deutsche Staat je nach Ausgestaltung der Abgabe über zusätzliche Einnahmen in Höhe von 30 bis 100 Milliarden Euro erfreuen.

Interessant ist, wie die Experten zu dieser Schätzung kommen und welche praktischen Hindernisse sie bei der Besteuerung sehen.

Zunächst schätzen sie ab, wie hoch die zusätzlichen Gewinne der Energieunternehmen sind. Diese entstehen zum überwiegenden Teil, weil Mineralölkonzerne aufgrund der Preissteigerungen an den Märkten Sprit teurer verkaufen können, während ihre Produktionskosten nicht gestiegen sind. Ebenso trifft das auf Stromproduzenten zu, die Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Auch sie können bei gleichen Kosten teurer verkaufen.

In der Studie werden die aktuellen Preise für Strom, Öl und Gas mit den Preisen aus einem Referenzzeitraum im vergangenen Jahr verglichen und ins Verhältnis mit dem Verbrauch gesetzt. Beispiel Strom: Der Preis je Megawattstunde hat sich seit dem vergangenen Jahr auf aktuell 180 Euro verdoppelt. Bezogen auf den jährlichen Stromverbrauch ergibt das einen Übergewinn von 84 Milliarden Euro. Davon landen 40 Prozent bei den Gas-, Öl- und Kohlelieferanten der Stromerzeuger, rechnen die Studienautoren vor. Mit diesen Rohstoffen wird ein Teil des Stromes erzeugt. Die restlichen 50 Milliarden Euro sind der Übergewinn der deutschen Stromproduzenten.

Bei Mineralölkonzernen werden die Übergewinne auf 38 Milliarden geschätzt, im Gassektor sollen es 25 Milliarden Euro sein. Wer hier die Gewinne im Gassektor macht, ist in der Studie nicht ausgeführt, auf Nachfrage heißt, dass es sich dabei um Gaslieferanten handelt, also insbesondere Gazprom, die von Preissteigerungen profitieren.
Macht insgesamt 113 Milliarden Euro an Übergewinnen im Energiesektor. Je nachdem, wie hoch dieser Betrag versteuert wird, ergeben sich die unterschiedlich hohen Zusatzeinnahmen des Staates.
Wobei diese Rechnung mindestens eine grobe Schwachstelle hat – worauf auch die Autoren aufmerksam machen. Die Strom- und Gaserzeuger in Deutschland kann die Bundesrepublik ohne Probleme besteuern, bei den ausländischen Mineralölkonzernen und ausländischen Gasproduzenten wird es komplizierter bis unmöglich.

Zur Erklärung ein Blick auf den Mineralölsektor: Der größte Teil der Übergewinne landet hier nicht bei Tankstellenbetreibern. Diese kaufen Treibstoff über ihre Mutterkonzerne und deren Raffinerien ja selbst zu. Die Übergewinne landen dort, wo Erdöl gefördert wird – und wo die großen Konzerne ihre Gewinne hinverschieben.

Wo BP Steuern zahlt
Die Studienautoren haben die Bilanz von BP ausgewertet, weil dort genau beschrieben wird, wo der Konzern seine Umsätze gemacht hat und Steuern bezahlt. So hat BP 2019 gut 8,2 Milliarden Dollar Gewinn erwirtschaftet und dafür immerhin 5,4 Milliarden Steuern bezahlt. Der größte Teil des Steuerbetrages entfiel auf die Förderländer Vereinigte Arabische Emirate, Angola und Ägypten. Auch in den USA zahlte der Konzern hohe Steuern.
In den restlichen Marktländern zahlt BP fast gar keine Gewinnsteuern. Auch in Deutschland nicht, obwohl das einer der wichtigsten Absatzmärkte des Unternehmens ist. Dafür landet ein großer Teil des Unternehmensgewinns, knapp 1,2 Milliarden Dollar, in Singapur, wo BP wenige Mitarbeiter hat und kaum nichtfinanzielle Vermögenswerte besitzt. Singapur gilt als eine der wichtigsten Steueroasen der Welt, unter anderem, weil der Staat kaum Gewinnsteuern einhebt.

Laut Fachleuten ist ein Alleingang von Ländern wie Deutschland oder Österreich nicht ausgeschlossen, um an die Übergewinne ausländischer Multis zu kommen. So ein Schritt wäre aber ungewöhnlich.

Der Standard

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