Wer und was hinter den Lecks in Pipelines stecken könnte

30. September 2022

Die Zerstörung der Ostsee-Gasröhren alarmiert Regierungen. Der Fall passt zu Warnungen vor hybriden Konfliktszenarien.

Berlin. Die Explosionen an den Ostsee-Gasröhren Nord Stream 1 und 2 können ein neues, gefährliches Kapitel in der Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Westen aufschlagen. Hinweise auf eine gezielte Zerstörung werden dichter. Fachleute in Geheimdiensten, Militär und Industrie tragen ihre Erkenntnisse zusammen.

1 .Was benötigt man, um ein Leck zu sprengen? Sprengen unter Wasser ist einfach, vor allem wenn es – wie bei den Leitungen von Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee – nur um Tiefen von 70 bis 90 Metern geht. Militärtaucher aller Nationen sind darin geübt. Auch zivile Sprengschulen oder Zivilschutzbehörden bieten eine solche Ausbildung an. Prinzipiell sei aber bei einer Pipeline mindestens noch ein zweites Verfahren zur Zerstörung denkbar, sagen Techniker. Die Röhre werde mit einem „Molch“ gewartet, einem ferngesteuerten Reinigungsroboter, den man mit Sprengstoff bestücken könne. 2. Gibt es bereits Spurenzu möglichen Tätern? Die Ostsee gehört zu den am besten überwachten Seegebieten überhaupt – vor allem nach der Eskalation der Spannungen mit Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Alle Anrainer beobachten den Schiffs- und Flugverkehr mit Sensoren. Die Marine erstellt aus allen Informationen ein „Unterwasserlagebild“. Weil das austretende Gas aber zunächst erheblich Blasen schlägt, ist eine genauere Analyse erst später möglich – Dänemarks Verteidigungsministerium geht von ein bis zwei Wochen aus, bis die Lecks untersucht werden können.

3 .Wem könnten die Lecks nutzen? Wer eine Urheberschaft Russlands annimmt, hält es für möglich, dass Moskau nicht nur weiter verunsichern und den Gaspreis nach oben treiben will, sondern auch die eigene Infrastruktur dauerhaft beschädigt und sich die Möglichkeit nimmt, die Gasversorgung gezielt an- und auszuschalten. Denkbar ist auch, dass Gegner Russlands und dieser Gasröhren dem Treiben Moskaus ein Ende setzen wollten. Europäische Regierungen hielten sich vorerst mit Schuldzuweisungen zurück. Allgemein galt am Mittwoch ein „staatlicher Akteur“ als wahrscheinlich, falls es Sabotage war – wovon EU und NATO ausgehen. 4 .Hat man mit Angriffen auf Pipelines gerechnet? Der US-Geheimdienst CIA hatte bereits im Juni vor einem möglichen Angriff auf die Gas-Pipelines gewarnt. Sehr konkret und zielgerichtet war diese Warnung aber wohl nicht. Jedenfalls löste sie keine größeren Maßnahmen aus. Dass die Energieinfrastruktur generell Ziel möglicher Sabotage durch in- und ausländische Akteure sein könnte, haben die Sicherheitsbehörden ohnehin schon länger im Blick.

5 .Geht es hier um einen kriegerischen Angriff? Zu den Vorfällen sei es in internationalen Gewässern beider Staaten vor der Ostsee-Insel Bornholm gekommen, heißt es in Dänemark und Schweden. Die Frage eines Angriffs stellt sich daher aus Sicht beider Regierungen nicht. Deutschland ist noch weniger betroffen.

Salzburger Nachrichten